VON MAXIMILIAN REICHLIN
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28.11.2014 14:18
Wer hat im Ökosystem das Sagen – Wölfe, Pflanzen oder Insekten?
Eine hohe Artenvielfalt ist immens wichtig für die Ökosysteme unserer Erde. Wichtiger noch, als selbst Forscher lange Zeit angenommen haben. Jedes Lebewesen hat dabei seinen festen Platz und seine Aufgabe im „Nahrungsnetz“, ob es sich dabei um Pflanzen, Insekten oder Raubtiere handelt. Lange hat die Forschung die Bedeutung einzelner Arten unter- oder überschätzt und es sich zu einfach gemacht. Heute wissen wir nur, dass wir noch nicht genug wissen. UNI.DE berichtet.
Die Ökosysteme unserer Welt befinden sich in einem empfindlichen Gleichgewicht. Jeder Faktor kann signifikante Auswirkungen auf die Entwicklung der einzelnen Lebensräume haben. So wurde beispielsweise im Gorongosa Nationalpark in Mosambik die Bedeutung von Insekten für das Ökosystem untersucht. Fliegende Insekten seien hier besonders wichtig für die Artenvielfalt, indem sie Bäume befruchten, die ohne sie nicht gedeihen könnten. Diese wiederum dienen Pflanzenfressern als Nahrung, die dann wieder auf dem Speiseplan von Raubtieren landen. Fehlt ein Glied in dieser Kette, verändert sich das Ökosystem dadurch radikal.
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Verschiedene Wissenschaftler haben auch die Bedeutung von Raubtieren für einzelne Ökosysteme untersucht und dabei festgestellt, dass die Population der Raubtiere, sogenannter Top-Prädatoren, ganz entscheidende Auswirkungen auf die Umwelt hatte. So konnte nach dem Bau eines großen Staudammes in Venezuela beobachtet werden, dass Raubtiere, die auf den durch die Flutung entstandenen kleineren Inseln nicht überleben konnten, verschwanden, kleinere Pflanzenfresser sich allerdings stark vermehrten, was zu einer kompletten Zerstörung der Pflanzenpopulation führte.
Eine der bekanntesten Studien wurde im amerikanischen Yellowstone Nationalpark in Wyoming, USA, durchgeführt. William Ripple von der Oregon State University untersuchte den Baumbestand im Park und stellte fest, dass die Population der Pflanzen seit der Wiedereinführung der Grauwölfe, die zu dieser Zeit schon an die 70 Jahre nicht mehr im Park heimisch waren, stark anstieg. Er machte die Wölfe dafür verantwortlich, die durch ihre Rückkehr
äsendes Rotwild daran hinderten, das Wachstum der Bäume zu stören. Belege dafür fand Ripple in der Tatsache, dass die Pappeln vor allem an jenen Orten gut gediehen, die für Hirsche als besonders risikoreich galten.
...und warum sie wohl doch nicht so wichtig sind.
Dieser „Top-Down-Ansatz“ („Von oben nach unten“), auch „
Trophische Kaskade“ genannt, verdrängte in den 80er-Jahren den vorherrschenden „Bottom-Up-Ansatz“ („Von unten nach oben“), der vor allem die bestehenden Pflanzenarten und ihr Potenzial als Energie- und Sauerstofflieferanten zu Regulatoren der Ökosysteme erklärte. Erst in der letzten Zeit
stoßen die „zu simplen“ Theorien Ripples auf Kritik. Die erhöhte Baumpopulation könne auch durch andere Faktoren erklärt werden, so eine Studie unter dem Forscher Matthew Kauffman, etwa den Rückgang der Hirsche durch Dürren oder menschliche Jäger. Die Raubtiere hätten zwar eine gewisse Relevanz für ihr Ökosystem, seien aber keinesfalls eine Patentlösung.
Mittlerweile ist sich die Wissenschaft zumindest insofern einig: Sie weiß noch nicht genug über die empfindlichen Zusammenhänge zwischen den einzelnen Arten. Langsam kristallisiert sich, quasi als Kompromiss zwischen den beiden Ansätzen, durch einzelne Forscher
der sogenannte „Middle-Out-Ansatz“ („Aus der Mitte“) heraus, der nicht Raubtiere oder Pflanzen für ausschlaggebend erklärt, sondern vielmehr die Pflanzenfresser in der Mitte der Nahrungskette. Ob dieser Ansatz in der Populärwissenschaft und der Gesellschaft ebenso große Wellen schlagen wird, wie die Theorie um die Raubtiere, bleibt abzuwarten.