VON NORA GRAF | 04.11.2014 17:40

Alters-Diversity: Ältere Arbeitnehmer sind unverzichtbar

Mit 45 gilt man in der Arbeitswelt oft schon als 'alter Hase', mit 55 schon als schwer vermittelbar für eine neue Arbeit, sollte man denn in der schwierigen Lage sein, eine zu suchen. Eigentlich müssen wir aber immer länger arbeiten, um dem Mangel an jungen Leuten und der Überalterung in unserer Gesellschaft entgegen zu wirken. Wie geht das zusammen? Und ist die Vorstellung vom alten, unproduktiven Mitarbeiter überhaupt begründet? Eine Studie hat schon im Jahr 2002 herausgefunden, dass die meisten Vorurteile unbegründet sind. Zum Glück, denn schon allein aufgrund des demographischen Wandels kann der Arbeitsmarkt nicht auf die erfahrenen Arbeitnehmer verzichten. Die Alterswende ist Realität – 2014 werden etwa 40% der Bevölkerung über 60 sein. Der Markt muss sich darauf einstellen und die Arbeitgeber müssen bessere Rahmenbedingungen für ihre Mitarbeiter zur Verfügung stellen – und das schon während der gesamten Berufslaufbahn.


Zu alt zum Arbeiten?

Auch wenn sich der oben genannten Studie zufolge etwa 62 Prozent der älteren Mitarbeiter als etwas weniger arbeitsfähig und belastbar empfinden, schätzen sie dennoch ihren körperlichen Zustand und ihre psychische Gesundheit „als gut bis mittel“ ein. Die häufigsten Belastungen älterer Arbeitnehmer waren zum Beispiel Zeitdruck bzw. viel Arbeit und schnelles Arbeiten – etwas, worunter durchaus auch junge Mitarbeiter leiden.

Auch mit neuen Technologien und beschleunigten Arbeitsabläufen können über 50jährige gut umgehen, nur ein Fünftel hat damit ein Problem. Fast alle kommen ebenfalls gut mit jüngeren Kollegen und auch jüngeren Vorgesetzten aus. Interessant scheint vor allem ein Ergebnis: Die meisten der älteren Mitarbeiter sind immer noch sehr motiviert. Mehr als 50 Prozent würden Aus- und Weiterbildungen in Anspruch nehmen, sofern Arbeitgeber diese denn anbieten. Doch da scheint es immer noch Handlungsbedarf zu geben.

Arbeitsmotivation in deutschen Unternehmen

Motivation, Qualifikation und Gesundheit

Und das zeigen auch Ergebnisse einer neueren Studie. Denn neben Gesundheit sind vor allem Motivation und Qualifikation wichtige Voraussetzungen dafür, ob ältere Menschen bis ins hohe Alter erwerbstätig sein können. Der Organisationspsychologe Prof. Dr. Karlheinz Sonntag von der Universität Heidelberg betrachtete Menschen zwischen 55 und 70 Jahren und untersuchte 150 Forschungsberichte und weitere Studien. Seinen Erkenntnissen zufolge besteht im Allgemeinen keine zwangsläufige Verschlechterung der Leistung von Älteren, vielmehr gestaltet sich die Entwicklung – insbesondere die kognitiven Leistungen – bei jeder einzelnen Person als höchst unterschiedlich und individuell. Über 55jährige schneiden nur schlechter ab, wenn sie viel und schnell arbeiten sollen, also wenn sie Informationen schneller verarbeiten müssen. Dem gegenüber stehe aber ihr Erfahrungsschatz, der sich nicht ersetzen lasse.

Unternehmen bieten zwar schon Maßnahmen zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit an. Diese zielen jedoch eher auf die Erhaltung der körperlichen Gesundheit ab, als weniger auf die Stärkung der Entwicklung und die Ausschöpfung von Kompetenzen und Potenzialen. Aber genau das ist es, was Alters-Diversity ausmacht: Das Wertschätzen und das bewusste Nutzen von Unterschieden, bezogen auf das Alter der Mitarbeiter. Die Unternehmen müssen gerade Beschäftigten, die noch mindestens 20 Jahre arbeiten müssen, bessere Perspektiven bieten, das bedeutet, sie müssen sie gezielt weiterbilden, in Teams aus Jung und Alt integrieren und sie an innovativen Entwicklungen teil haben lassen. Überdies sind gerade Maßnahmen wichtig, in denen Menschen jenseits der 45 einen beruflichen Nutzen sehen – das motiviert, qualifiziert und bindet.

Wichtig ist es auch, dass diese Vorkehrungen nicht erst in hohem Alter ansetzen, sondern sich durch die gesamte Berufslaufbahn der Beschäftigten ziehen. Denn wer lange aufs Abstellgleis geschoben und jahrelang weder körperlich noch geistig gefördert wurde, tut sich natürlich immer schwerer mit dem Lernen. Perspektive statt Pension lautet eine Antwort auf den demographischen Wandel.