VON MAXIMILIAN REICHLIN
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01.12.2015 10:21
Kreativität – Was ist das eigentlich?
Wir sprechen oft von Kreativität. Wenn ein Freund gut zeichnen kann, sagen wir er sei kreativ. Wenn ein anderer Gedichte oder Geschichten schreibt, weisen wir ihm dieses Attribut ebenfalls zu. Doch was ist Kreativität eigentlich? Wissen wir ganz genau, was an dem Begriff hängt? Könnten wir einwandfrei bestimmen, welche Menschen in unserem Umfeld kreativ sind, und welche nicht? UNI.DE wagt sich an den Versuch, diesem schwammigen Begriff auf den Grund zu gehen.
Kreativität. Das ist ein Begriff, den wir kennen und oft benutzen. Doch wissen wir, was er bedeutet? Haben wir eine Ahnung davon, in welchen Kategorien ein kreativer Mensch denkt, wie Kreativität eigentlich definiert werden kann? Was ist Kreativität? Nun, im Allgemeinen hat man sich in der Kreativitätsforschung (ja, das gibt es) mittlerweile auf die folgende Definition geeinigt: Kreativität ist die Fähigkeit, etwas zu erschaffen, das sowohl neu als auch nutzbringend ist. Statt „neu“ wird auch oft der Terminus „selten gedacht“ verwendet, und statt „nutzbringend“ sagt man auch „brauchbar“ oder „angemessen“.
Ist Kreativität erlernbar oder nicht?
Es ist allerdings überhaupt nicht klar, was diese Begriffe im einzelnen bedeutet. Was heißt „neu“, „selten gedacht“ oder auch „originell“. Was heißt „nutzbringend“ oder „brauchbar“? Bin ich beispielsweise kreativ tätig, weil ich gerade diesen Text schreibe? Ist dieser Text neu, in einem kreativen Sinne? Und ist er nutzbringend? Woher weiß ich eigentlich, ob ich ein kreativer Mensch bin? Und, gesetzt den Fall ich bin es nicht, habe ich dann überhaupt die Fähigkeit zur Kreativität? In diesem Punkt scheiden sich die Geister. Wo die einen Fachleute Kreativität zur Chefsache erklären und nur ganz besonders begabten Menschen zuschreiben, glauben andere, dass jeder Mensch kreativ sein kann, wenn er das richtige Handwerkszeug hat.
Aus diesem Grund gibt es heute eine Vielzahl an Techniken, die das kreative Denken befördern sollen: Sie nennen sich Brainstorming, Mindmapping oder freies assoziatives Schreiben. Immer geht es darum, sich selbst von althergebrachten Denkmodellen zu lösen und neue Wege zu beschreiten. Der Begriff „Querdenken“ hat sich dafür bei uns eingebürgert, im Englischen sagt man, jemand denke „outside the box“. Die „box“, das sind die Denkmodelle, die wir kennen und die uns beigebracht wurden. „Outside“ davon zu denken bedeutet, dass wir das Gewohnte hinter uns lassen und etwas völlig neues kreieren.
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Gelehrtes Wissen vs. Inspiration – Was ist stärker?
Es ist in der Kreativitätsforschung deshalb mittlerweile Konsens, dass wir die größten kreativen Fähigkeiten haben, wenn wir noch Kinder sind. Das verwundert nicht, wenn wir daran zurückdenken, was wir uns in jungen Jahren schon für Spiele ausgedacht haben, welche Szenarien wir beim „Vater-Mutter-Kind“ erschaffen haben, welch unscheinbare Objekte uns genügt haben, um Geschichten zu erfinden und Spielräume zu schaffen. Mittlerweile geht die Forschung davon aus, dass diese kindliche und kreative Sinnproduktion später von der logischen und auf gelehrtes Wissen bezogenen Sinnproduktion überlagert werden kann.
Das bedeutet aber nicht, dass erlerntes Wissen unsere Kreativität hemmt, im Gegenteil: Eine relativ junge Schlagrichtung der Kreativitätsforschung geht davon aus, dass es sich bei Kreativität um die „Neuformation von Informationen“ handelt. Das bedeutet: Wir benutzen das, was wir bereits wissen und formen es um, setzen es in neue und ungewöhnliche Beziehung zueinander. Je mehr wir wissen, desto leichter fällt es uns, Lücken zwischen einzelnen Konzepten und Ideen zu schließen, und damit die Lösung für ein Problem zu definieren, auf die bisher niemand sonst gekommen ist.
Wie wir kreativ tätig werden
Problemlösung, das ist ein Knackpunkt in der Theorie. Kreativ sind wir demnach auf zwei Arten: Entweder wir finden die Lösung für ein Problem, das bisher nicht gelöst werden konnte, oder wir denken uns für ein bereits gelöstes Problem eine alternative Lösung aus. Diese Definition lässt sich auf die Wirtschaft beziehen, auf die Politik, aber auch auf die Kunst. Wir bezeichnen doch in erster Linie jene Künstler als „kreativ“ oder gar als Genies, die neue Mittel und Wege gefunden haben, Gefühle zu beschreiben oder auszudrücken.
Vielleicht ist es das, worauf alles hinausläuft. Dass wir dann kreativ sind, wenn wir Dinge tun, die noch niemand anders in der gegebenen Situation getan hat. Aber selbst wenn wir uns auf diese Definition einlassen, bleibt die Kreativität doch ein unscharfer Begriff, der sich nur schwer fassen lässt. Nicht umsonst streiten Fachleute aus Psychologie und Hirnforschung seit Jahrzehnten über die genauen Grenzen des Begriffs. Wichtig bleibt für uns nur die Erkenntnis, dass wir uns ab und zu auf Wege begeben sollten, die noch nicht komplett ausgetreten sind. Vielleicht werden wir so auch zu kreativen Geistern. Ich weiß es nicht. Aber möglich wär's.