VON NORA GRAF | 23.12.2015 10:29

Flexibel im Geist: Kreativ sein kann jeder

Kreativ: Entweder man ist es oder man ist es eben nicht. Viele denken, dass es einfach Genies gebe, die die Fähigkeit, neue Wege zu gehen, von Natur aus besitzen. Doch die Aussage, dass Kreativität angeboren ist, ist heutzutage überholt. Denn immer mehr Studien belegen, dass jeder Mensch ein Querdenker sein kann und sein kreatives Potenzial durch spezielle Techniken bzw. Verhaltensweisen entfalten kann.


Was macht einen kreativen Menschen aus? Wie ist Kreativität überhaupt definiert? Dazu gibt es wohl so viele Antworten wie auf die Frage, was Intelligenz ausmacht. Etymologisch kommt Kreativität von dem lateinischen Wort „creare“, das auf deutsch „schaffen“, „gebären“ oder „erzeugen“ bedeutet. Viele Definitionen verbinden mit kreativen Ideen daher etwas Neues, Originelles und Brauchbares. Worin dieses Neue oder Nützliche besteht, lassen viele Erklärungen aber offen.

Neues stimuliert die Kreativität

Grundsätzlich kann jeder kreativ sein. Ob es einem schwer fällt, quer zu denken, oder ob die neuen Ideen nur so aus einem raus sprudeln, ist Wissenschaftlern zufolge nicht genetisch bedingt, und lässt sich darüber hinaus trainieren. Simone Ritter ist Juniorprofessorin an der Universität Nimwegen in den Niederlanden. Ihr Forschungsvorhaben besteht darin, herauszufinden, wie Menschen neue Ideen entwickeln. Vor allem möchte sie erforschen, ob sich der kreative Prozess durch äußerliche Reize ankurbeln lässt.

Ritter und ihr Team versetzen dazu Menschen über eine Videobrille in eine virtuelle, aber gleichzeitig bizarre Welt, in der die Erwartungen und starren Denkstrukturen immer wieder durchbrochen werden. Dabei findet man sich als Proband zum Beispiel in einer Computersimulation der Uni-Cafeteria wieder. Man kann darin umher schlendern, sieht eine Theke mit Espressomaschine oder einen Holztisch mit einem Koffer darauf. Zunächst nichts Ungewöhnliches, doch nähert man sich dem Koffer und möchte ihn aufmachen, so verschwindet er. Als nächstes erscheint ein Spielzeugauto und eine Getränkedose auf dem Tisch. Nähert man sich dem Tisch abermals, so fährt das Auto auf die Dose zu und stößt sie um. Anstatt jedoch hinunter zu fallen, steigt sie wie ein Luftballon an die Decke.

Intelligenz als Spiegel des Umfelds?

Eine andere Gruppe hingegen durchlief eine Computersimulation, in der alles gewöhnlich ablief. Danach, im entscheidenden Teil des Experiments, erhielten die Teilnehmenden die Aufgabe binnen zwei Minuten alles aufzuzählen, was Geräusche macht. Das Ergebnis: Die Ideen der Versuchspersonen, deren Erwartungen in der fantastischen Welt stets durchbrochen wurden, waren weitaus vielfältiger in ihren Antworten. Ihr Denken war flexibler, der Verstoß gegen die gängigen Denkstrukturen regte ihre Fantasie an.

Doch man muss nicht einmal so ausgeklügelte und hochtechnisierte Gedankenexperimente durchlaufen, um neue Denkpfade zu beschreiten. Schon ein Auslandsaufenthalt kann helfen, die Kreativität anzukurbeln. Forscher fanden heraus, dass diejenigen Personen, die längere Zeit im Ausland verbracht hatten, flexiblere Lösungsansätze bei speziellen Aufgaben entwickelten. Je länger die Zeitspanne, desto flexibler bzw. kreativ sein Denken.

Flexibel im Geist

Der Grund dafür liegt insbesondere daran, dass solche Techniken oder Erfahrungen eine ähnliche Wirkung besitzen, nämlich den Horizont zu erweitern, neue Perspektiven einzunehmen und damit festgefahrene Denkschemata zu erweitern. Neben klassischen Übungen wie Brainstorming oder Mindmapping gibt es zum Beispiel die Walt-Disney- oder die Sechs-Hüte-Methode. So wird verhindert, dass man schon von vornherein eine bestimmte Richtung im Denken einschlägt. Dazu reicht es manchmal schon, wenn man sich in der Arbeit auch mal mit anderen Abteilungen vernetzt oder zumindest austauscht und nicht stets in seinem jeweiligen Bereich verharrt. Denn nur, wer sich immer mal wieder ins Unbekannte stürzt, bleibt auch im Geist flexibel.