VON CHARLOTTE MEYER | 21.12.2015 16:09

Langeweile und Kreativität – zwei Paar Schuhe?

Wann habe ich mich eigentlich das letzte Mal so richtig gelangweilt? Kommt bei uns wohl kaum noch vor. Langweilt ein Film im Internet, schalten wir ab und schauen uns einen anderen an. Langeweile in der U-Bahn – schon helfen uns Newsfeeds, Instagram und Facebook auf unserem Handy. Langeweile nervt und ist unnötig, denken wir uns meistens. Für unsere Seele und unsere Kreativität ist sie jedoch unabdingbar. Was besonders langweilige Arbeitsaufgaben mit uns machen und wieso Smartphones die perfekte Symbiose mit dem Menschen eingehen, schreiben wir hier für euch.


Smartphone und Langeweile

Man kennt das schon gar nicht mehr, sich zu langweilen. Kommt eine freie Minute, denkt man schon wieder darüber nach, was noch erledigt werden muss oder welche Nachrichten noch nicht gecheckt sind. Unser Smartphone begleitet uns den ganzen Tag, wir wachen mit ihm auf und legen es aus der Hand erst wenn wir schlafen gehen. Aber was macht das mit uns und warum können wir es einfach nicht lassen? Jürgen Rutenberg nannte im Zeitmagazin die Beziehung zwischen dem Menschen und dem Smartphone eine perfekte Symbiose. Das Smartphone hilft bei Wissenslücken mit Suchmaschinen, bei Vergesslichkeit mit Fotoalben und bei Schüchternheit mit Chats oder Facebook. Es ist tragbare Spielhölle, Disco und Videothek und hat so die Langeweile aus der Welt geschafft. Dass das Smartphone aber glücklicher und zufriedener macht, wird wohl jede Person mit Smartphone bestreiten. Langeweile bedeutet laut der Zürcher Psychologin Verena Kast, dass der Mensch vorübergehend das lebendige Interesse am Leben verloren hat. Aber muss sie deswegen durch Gedaddel am Handy so gut wie möglich vermieden werden?

Welche Faktoren unsere Gefühle beeinflussen und wie wir sie steuern

Warum viele Menschen Langeweile nur schwer aushalten

Am Beispiel von Kindern erklärt Kast das Phänomen der Langeweile und zeigt, wann sie meistens vorkommt und was in Momenten der Langeweile mit uns passiert. Ein Kind, das sich langweilt, so Kast, ist mit der Welt und sich selbst nicht im Reinen. Langeweile macht sich meistens dann bemerkbar wenn Belastungen oder Stress wegfallen. Denn beides blockiert die Seele und hemmt die Verbindung zu sich selbst. Das schöpferische Interesse an dem, was um einen herum passiert, hat abgenommen. Solche Momente sind nur schwer auszuhalten und wahrscheinlich genau deswegen versuchen wir, die Langeweile so gut wie möglich zu meiden – oft durch Herumgespiele auf unseren Handys oder anderen Zerstreuungen. Nicht nur, dass wir den Kontakt zu uns selbst verlieren, indem wir uns mit dem Telefon über Momente der Langeweile herüberretten, nein, wir verlernen auch soziale Fähigkeiten und Empathie im Umgang mit anderen.

Warum es nützlich sein kann, wenn man sich langweilt

Kinder sollen ermutigt werden, Langeweile auszuhalten – das rät Verena Kast geplagten Eltern. Nur so kommt die Innenwelt von selbst wieder in Bewegung und bringt Kreativität hervor. Wir sind da wahrscheinlich sogar noch einen Schritt zurück, denn Langeweile kommt bei unserer Dauerbeschäftigung schon gar nicht mehr vor. Dennoch gibt es im wahrsten Sinne des Wortes einen ganzen Markt an Möglichkeiten, der uns das Aushalten von Langeweile oder auch das Nichtstun beibringen soll. Es gibt Achtsamkeitsseminare, Schweigewochenenden und auch Apps, die einen daran erinnern, wie oft man sein Smartphone benutzt oder die einem beibringen wollen, seinen Handykonsum zurückzufahren. Doch nicht nur für uns selbst, sondern auch für unsere Arbeit kann Langeweile hilfreich sein. Zwei Psychologinnen der University of Central Lancashire fanden in einer Studie heraus, dass Langeweile am Arbeitsplatz zu kreativeren Problemlösungen führen kann. Sie quälten die Testteilnehmer mit besonders monotonen Aufgaben und führten anschließend Kreativitätstests durch. Sie stellen dabei fest, dass unser Bewusstsein bei besonders langweiligen Aufgaben anfängt, die Gedanken auf Wanderschaft zu schicken und so das Kreativitätspotenzial für folgende, nicht-monotone Aufgaben erhöht. Nicht nur für uns selbst also, sondern auch für unsere Arbeit kann es hilfreich sein, sich mal so richtig zu langweilen. Nur eines muss man dafür können – abschalten.