VON CLEMENS POKORNY
|
02.04.2012 10:25
Vertrauen – eine Frage der Biochemie?
Das Hormon Oxytocin ist entscheidend daran beteiligt, wenn wir Vertrauen zu anderen Menschen aufbauen. Das kann für die Behandlung autistischer Menschen wichtig sein. Für Gesunde gilt aber: Vertrauen entsteht nicht durch ein Hormon, sondern durch Erfahrung und Einfühlungsvermögen
Im Jahr 2005 machte ein Bericht der naturwissenschaftlichen Fachzeitschrift „Nature“ Schlagzeilen: Forscher hatten erstmals nachgewiesen, dass das Hormon Oxytocin entscheidend dafür verantwortlich ist, ob wir anderen Menschen vertrauen oder nicht. Probanden eines Experiments zeigten sich signifikant vertrauensseliger, wenn sie zuvor gasförmiges Oxytocin inhaliert hatten.
Dieser Botenstoff ist Biochemikern schon seit 1953 bekannt. In hoher Konzentration wird es v.a. von Frauen für eine leichtere Geburt ausgeschüttet (daher der griechische Name: okys – schnell und tiktein – gebären). Aber Oxytocin steuert über die Amygadala im Limbischen System auch Partnerbindung, Liebe („Kuschelhormon“), mütterliches Pflegeverhalten – beim Stillen produziert die Mutter besonders viel Oxytocin gegen den damit verbundenen Stress –, Sex („Orgasmushormon“), das soziale Gedächtnis und Angst. So sorgt Oxytocin unter anderem dafür, dass wir beispielsweise Gesichtern, die wir eigentlich als wenig vertrauenserweckend einstufen, dennoch Vertrauen schenken. Deshalb wird es bereits als mögliches Therapeutikum für Autisten diskutiert.
Erstmals gelang der Nachweis eines Zusammenhangs zwischen Oxytocinausschüttung und Vertrauen in einem ökonomischen Experiment. Die eine Hälfte der Probanden inhalierte zu Beginn Oxytocin durch die Nase, die Kontrollgruppe ein Placebo. Dann folgte ein Investitionsspiel: Paare bekamen jeweils eine Anfangsausstattung von 12 Punkten. Der erste Spieler gab dem zweiten – von dem er nicht wusste, wer es war – einen frei bemessenen Teil dieses Spielgeldes, „investierte“ sozusagen in ihn. Die investierte Summe wurde vom Spielleiter verdreifacht. Der zweite Spieler konnte nun abwägen, ob und wie viel er seinem Geldgeber zurückgab. Der erste Teilnehmer musste sich also fragen, wie viel Vertrauen er in die Vertrauenswürdigkeit des zweiten, ihm unbekannten setzt. Das Ergebnis: Unter Gabe von Oxytocin waren mehr als doppelt so viele Probanden bereit, ihrem Geschäftspartner ihre gesamten zwölf Punkte als Kredit zu leihen und somit auch ein maximales Risiko einzugehen.
Der US-amerikanische Neuroökonom Paul Zag meint darüber hinaus, dass die Oxytocin-Konzentration in unserem Körper sogar darüber entscheidet, wie moralisch wir handeln. Als Belege dafür führt er seine Untersuchungen an, in denen eine erhöhte Spendenbereitschaft nach dem Inhalieren von Oxytocin beobachtet wurde, und umgekehrt ein Experiment, in dem ein erhöhter Oxytocinspiegel nach dem Betrachten eines mitleiderregenden Kurzfilms gemessen wurde. Mitgefühl oder die Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzuversetzen, ist aber eine zentrale Voraussetzung für moralisches Handeln. Menschen mit einem zu niedrigen Oxytocinspiegel wie zum Beispiel Missbrauchsopfer oder Gestresste zeigen entsprechend seltener mitfühlendes Verhalten.
Die Forschungsergebnisse zeigen, dass Menschen unter einigermaßen entspannten Bedingungen moralischer agieren – keine Überraschung – und dass in Situationen, in denen unsere Empathie gefragt ist, das Hormon Oxytocin die für die emotionale Beurteilung von Situationen zuständige Amygdala so beeinflusst, dass man vertrauensseliger wird. Rational ungerechtfertigtes Vertrauen kann unser Gehirn daher weder alleine erzeugen noch etwa unter Einfluss von heimlich zugeführtem Oxytocin. Denn wer würde es nicht bemerken, wenn ihm jemand gewaltsam ein Gas in die Nase sprayen würde? Somit bleibt Vertrauen eine Frage der Erfahrung und der Empathie – die Biochemie sagt uns nur, was in unserem Gehirn abläuft, wenn wir Anderen vertrauen.
-
Vertrauen ist gut…
„Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“
[...]»
-
Compliance: Vertrauensvolle Kooperation des Patienten
Zum Erfolg einer Therapie trägt die Bereitschaft des Patienten dazu, die Weisungen des behandelnden Arztes einzuhalten, mitunter entscheidend bei. Voraussetzungen sind ein Bewusstsein für den Beitrag der Kooperation zum Heilungserfolg sowie ein vertrauensvolles Arzt-Patient-Verhältnis
[...]»
-
Vertrauen in Google?
Einer Studie zufolge vertrauen Studierende unkritisch denjenigen Websites, die ihnen als erstes Ergebnis einer Suchmaschine angezeigt werden – und laufen damit Gefahr, falschen oder manipulierten Informationen aufzusitzen. Vertrauen in Google hat noch einen anderen Preis: Das Unternehmen sammelt so viele personenbezogene Daten, dass es schon bald den gläsernen User kreieren könnte.
[...]»
-
Interview: Professor Martin Schweer über Vertrauen
Zu dem UNI.DE Monatsthema „
Vertrauen“ gibt es bereits eine Reihe Artikel, doch nun soll einmal ein echter Fachmann zu Wort kommen:
Martin Schweer, Professor für Pädagogische Psychologie und Leiter des Zentrums für Vertrauensforschung an der
Universität Vechta. Neben seiner
akademischen Tätigkeit arbeitet Schweer als Betreuer von Tennisspielern und Golfern und ist zudem als Unternehmensberater tätig. Für UNI.DE hat Prof. Schweer das Phänomen „
Vertrauen“ von mehreren Seiten beleuchtet.
[...]»
-
Sich selbst vertrauen
Sich selbst zu vertrauen fällt vielen Menschen schwer, ihre Schwächen zeigen sie nur ungern und Scheitern ist für viele der Beweis dafür, dass sie einer Aufgabe nicht gewachsen sind. Selbstvertrauen schaffen, bedeutet auch mehr Lebensqualität.
[...]»
-
Vertrauen: Basis einer Partnerschaft
Vertrauen bildet eine der Grundlagen für das menschliche Zusammenleben und für jede Partnerschaft. Wie schafft man Vertrauen und was tut man, wenn es auf einmal weg ist?
[...]»
-
Computerspiele vs. soziales Vertrauen
Für viele Kinder und Jugendliche gehören Computerspiele zum Alltag. Aber wie wirkt sich die virtuelle Aggression in solchen PC-Games auf das Vertrauen zu anderen Personen im realen Leben aus?
[...]»
-
Blindes Vertrauen
Ein kleines Experiment: Stell dir deinen täglichen Weg zur Uni vor. Gehe ihn genau im Kopf durch. Du bist ihn schon x-mal gegangen. „Das gehe ich mit verbundenen Augen“, sagen wir manchmal, wenn wir über solch einen vertrauten Weg sprechen. Du bist den Weg genau durchgegangen? Wie oft hast du eine Straße überquert? Auf wie viele Ampeln musstest du achten? Wo waren die Bordsteine abgesenkt – und wo nicht? Würdest du den Weg zur Uni also wirklich „blind“ finden?
[...]»
-
Big Brothers Big Sister Deutschland: Nichts geht ohne Vertrauen
Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, sich ehrenamtlich zu engagieren. Eine davon bietet
Big Brothers Big Sisters Deutschland (BBBS), eine gemeinnützige Organisation, die Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 16 an erwachsene Mentoren vermittelt. Diese werden dann zum „großen Bruder“ oder zur „großen Schwester“ und übernehmen für ihre Schützlinge eine Patenschaft auf Zeit. Grundlage hierfür ist vor allem Vertrauen.
[...]»
-
Angst überwinden – Vertrauen gewinnen
In einer schneller werdenden Welt gibt es immer mehr, die dem Tempo nicht folgen können. Dies kann insbesondere aufgrund traumatischer Erfahrungen passieren, wo das
Vertrauen in sich und in andere Menschen verloren gehen kann. Doch es gibt Mittel und Wege zurück ins normale Leben, sei es durch Tiere oder konfrontative Therapieformen.
[...]»