VON JASCHA SCHULZ | 25.12.2015 17:33

Stopfleber – Das große Kulturgut Frankreichs als große Schande Europas

Foie Gras ist in Frankreich Tradition. Und auch in Deutschland gilt Gänseleber als Delikatesse. Die Herstellung der Stopfleber-Produkte allerdings ist barbarisch. Durch einen langen Metallstab wird den Gänsen Mais infiltriert, bis deren Leber auf das zehnfache ihres Gewichts angewachsen ist. Die EU hat bereits 1999 die Produktion von Stopfleber verboten. Allerdings traut sie sich nicht, das Verbot restriktiv durchzusetzen. Die EU Führung möchte einen Zwist mit der ‚Grand Nation‘ nicht riskieren.


Um die Herstellung von Stopfleber ethisch beurteilen zu können, reicht wahrscheinlich eine Beschreibung der Produktionsweise. Im Alter von acht bis zehn Wochen wird Gänsen bzw. Enten mithilfe eines Metallrohrs jeden Tag ungefähr 1.000 Gramm Maisbrei verabreicht. Das Rohr wird dabei durch die Speiseröhre gestoßen und bis in den Magen eingeführt. Dieser Prozess wird drei bis vier Wochen lang durchgeführt, bis die Leber der Tiere auf das Zehnfache ihres normalen Gewichts angewachsen und somit zu einer Fettleber geworden ist. Hersteller von Stopfleber geben häufig an, den Maisbrei ohne Schmerzen für das Tier in deren Hals einzumassieren. Dass auf diese Weise tatsächlich eine Linderung des Schmerzes erreicht werden kann, wird von Tierschützern heftig bestritten. Videobilder zeigen, dass die Massagepraktik wohl höchstens minimale Auswirkungen auf das Befinden der Vögel hat und wenn überhaupt zusätzlich zu dem Stopfen angewandt wird. Auch die gesundheitlichen Folgen für die Vögel lassen wenige ethische Fragen offen. Die leberkranken Vögel leiden häufig unter Atemnot, Halsverletzungen, Knochenbrüchen, Leberblutungen, und Herzversagen. Das Gewicht der Tiere wächst aufgrund der Zwangsernährung teilweise derart stark an, dass diese ihr eigenes Gewicht nicht mehr tragen können. Die Produktionsstätten sind in der Regel große Industriehallen, in denen die Vögel in winzige Käfige gesperrt werden, worin sie keinerlei Bewegungsspielraum besitzen.

Man könnte annehmen, eine derart fragwürdige Art der Nahrungsmittelproduktion sei in unserem Kulturkreis verboten. Tatsächlich ist unser Nachbar Frankreich mit einer Jahresproduktion von 20.000 Tonnen (75%) der mit Abstand größte Hersteller von Gänsestopfleber. Foie Gras ist hier nicht nur eine Delikatesse, sie ist Kultur. Des Weiteren stellt sie einen wichtigen Wirtschaftszweig dar. Ein festliches Essen ohne Gänseleber ist in Frankreich kaum vorstellbar.

Eigentlich dürfte die Herstellung von Stopfleber in der EU kein Thema sein. Aufgrund der EU Richtlinie 98/58CE hat die EU die Produktion von Stopfleber bereits 1999 für illegal erklärt. Die Richtlinie besagt, dass die Art des Fütterns bei Tieren „keine unnötigen Leiden oder Schäden“ verursachen darf. 17 EU Länder, darunter auch Deutschland, folgten der EU und verboten die Stopfleberproduktion innerhalb ihres Landes. Frankreich allerdings umging das Verbot, indem es 2005 Foie Gras zum nationalen und gastronomischen Kulturerbe erklärte und dieses somit von den französischen Tierschutzgesetzen ausnahm. Auch in den EU-Ländern Ungarn, Bulgarien, Spanien und Belgien wird das Verbot ignoriert und weiterhin, wenn auch nur in geringerem Maße, Stopfleber produziert.

Wegschauen ist menschlich

Aufgrund des freien EU-Binnenmarkts wird der Import und mit ihm der Verkauf von Stopfleber innerhalb aller EU-Staaten weiter zugelassen. Auf diese Weise ist erklärbar, warum in Deutschland immer noch Stopfleber, vor allem in Form von Gänseleber oder Gänseleberpastete, verkauft wird. Animal equality veröffentlichte im Januar 2015 schockierende Bilder von der Herstellungspraxis eines großen Stoffleberbetriebs, der unter anderem der für die Firma Euralis produziert. Diese beliefert unter der Marke Rougié beispielsweise das KaDeWe in Berlin.

Tierschützern zufolge wird das Verbot der Stopfleber-Produktion von der EU aus machtpolitischem Kalkül nicht durchgesetzt. Unter Gourmetbetrieben und Sternerestaurants herrscht eine breite Unterstützung für das Gericht. Es dürfte aber vor allem die Angst vor der Reaktion Frankreichs sein, welche die EU zurückhält. Würde Brüssel Frankreich die Herstellung von Foie Gras verbieten, sähen Teiele der Bevölkerung und somit natürlich auch politisch Tätige dies als Angriff auf die innerste Kultur Frankreichs. Die Stimmen, die von einer EU-Diktatur sprechen, würden lauter werden, die Rechtspopulisten wahrscheinlich noch mehr Zulauf bekommen. Eine mögliche Abspaltung Frankreichs von der EU möchte deren Führung unter keinen Umständen riskieren.

Wie schwierig eine generelle Verbannung von Stopfleber-Gerichten ist, zeigen auch Verbotsdiskussionen in anderen Ländern. In Chicago etwa galt ein Verkaufsverbot bis zum 14. Mai 2008. Allerdings wurde das Verbot zu Zeiten seiner Gültigkeit teilweise umgangen, indem Gänseleber zum Beispiel als kostenlose Beilage serviert wurde. In Kaliforniern trat ein Verbot von Stopfleber am 1. Juli 2012 in Kraft. Im Januar 2015 wurde dieses Verbot jedoch von einem Bundesgericht wieder gekippt. Die einflussreiche Lobby der Lebensmittelindustrie hat sich in diesem Fall erneut durchgesetzt.

2014 wurde im Rahmen eines Weihnachtsmenüs den EU Abgeordneten ein mehrgängiges Menü serviert. Ein Gang beinhaltete unter anderem das beliebte Foie Gras. Dieser groteske Fall verdeutlicht vielleicht zusätzlich, wie weit die EU von einem allgemeinen Verkaufsverbot für Stopfleber-Produkte entfernt ist.