Im vergangenen Januar brachten die deutsche Heinrich-Böll-Stiftung und der BUND Naturschutz im Auftrag von Le Monde diplomatique wieder den Fleischatlas heraus. Während die beiden letzten Ausgaben von 2013 und 2014 die internationalen Auswirkungen und Probleme der Massentierhaltung behandelten, konzentriert sich der Atlas 2016 auf die Bundesrepublik. Im Fleischatlas Deutschland Regional werfen die Expertinnen und Experten einen kritischen Blick sowohl auf die Produktionsverhältnisse in den Bundesländern, als auch auf das Konsumentenverhalten.
Massentierhaltung boomt – Kleine Höfe sterben
Die Ergebnisse sind erschreckend: Anstatt dass sich die Fleischindustrie insgesamt in eine ökologisch nachhaltige Richtung entwickelt, geht der Trend eher zum Gegenteil. Große und aufgrund ihrer umstrittenen Methoden bei Aufzucht und Schlachtung häufig kritisierte Agrarbetriebe gewinnen immer mehr an Boden. Buchstäblich: Überall in Deutschland, vor allem aber in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, sind in den vergangenen Jahren neue Anlagen entstanden oder aktuell geplant. Allein zur Aufzucht und Schlachtung von Schweinen wurden seit 2012 mindestens 720.000 neue Stallplätze beantragt, wie der BUND für den Fleischatlas ermittelte.
Gleichzeitig geben kleinere und regionale Höfe die Fleischproduktion auf. Je nach Bundesland stellten in den Jahren von 2001 bis 2015 zwischen 60 und 80 Prozent der Betriebe die Arbeit ein. Absolute Zahlen nennt der Fleischatlas 2016 wieder für die Schweinehaltung: Hier warfen beispielsweise in Niedersachsen rund 14.000 und in Bayern beinahe 30.000 Höfe das Handtuch. Auf die genutzte landwirtschaftliche Fläche hat das Höfesterben dabei keine Auswirkung; diese vergrößere sich sogar leicht, wie Zahlen der Landwirtschaftskammer zu entnehmen ist, und wird unter immer weniger Großbetrieben mit Massentierhaltung aufgeteilt.
Massentierhaltung 2016: Wasserverschmutzung und resistente Keime
Die Probleme der Massentierhaltung sind in den letzten Jahren offensichtlich geworden. Dazu gehören die Übernutzung der landwirtschaftlichen Nutzflächen zur Futtermittelproduktion, sowie die Verschmutzung von Böden und Trinkwasser. In Teilen Nordrhein-Westfalens ist 2016 die Wasserbelastung durch Nitrate aus der Gülle der Mastbetriebe so hoch, dass das Gesundheitsamt dort die Wasserversorgung regelmäßig einstellen muss. Bis zu 300 Milligram des schädlichen Stoffes konnte dort im Grundwasser nachgewiesen werden – sechsmal so viel, wie in der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie aus dem Jahr 2010 vorgesehen ist.
Ein weiterer Nebeneffekt der Massentierhaltung ist der unbedachte Einsatz von Antibiotika bei den Tieren, der in letzter Konsequenz zu katastrophalen Resistenzen beim Menschen führen kann. Eine im vergangenen Jahr durchgeführte Untersuchung im Auftrag des BUND Naturschutz ergab, dass sich vor allem in Geflügelprodukten großer Konzerne wie Wiesenhof, Sprehe, Heidemark oder Plukon signifikant oft resistente Keime finden lassen. Die Vergleichsprodukte aus alternativer und Hofschlachtung waren im Test dagegen einwandfrei.