VON Marie-Thérèse | 21.11.2014 15:52

Das Wandern ist der Tiere Lust

Viele Tierarten müssen zum Überwintern, zur Nahrungssuche oder zum Schutz ihrer Weibchen während der Brutzeit lange Strecken zurücklegen. Aufgrund der starken Eingriffe des Menschen in die Ökosysteme dieser Welt wird es jedoch für diese wandernden Tierarten immer schwieriger, ihren gewohnten Routen zu folgen und die regelmäßigen weiten Reisen zu überleben. Die Convention on Migratory Specis (CMS) der Vereinten Nationen mit Sitz in Bonn hat es sich zum Ziel gesetzt, einen nachhaltigen Schutz für wandernde Tierarten zu erreichen – über weltanschauliche und politische Grenzen hinweg.


Was haben Schneeleoparden, Fledermäuse, Aale, Delphine, Haie, Nachtigallen, Wale und Schmetterlinge gemeinsam? Sie begeben sich regelmäßig auf Reisen, sind also für den normalen Ablauf ihres Brut-, Aufzuchts- und Nahrungsverhaltens auf die Möglichkeit zu “wandern” angewiesen. Eine Lebensform also, die auf vielerlei verschiedene und verstreut liegende Ökosysteme als Lebensgrundlage angewiesen ist und gleichzeitig aber auch selber einen wichtigen Bestandteil derselben darstellt. Gerade deshalb sind jedoch viele wandernde Tierarten und ihre Lebensräume bedroht und benötigen besonderen Schutz.

Nomadische Menschen

Convention on Migratory Species (CMS)

Das sogenannte Bonner Übereinkommen zur Erhaltung der wandernden Tierarten (Convention on Migratory Species; CMS) wurde 1979 im Rahmen des United Nations Environment Programme (UNEP) ratifiziert und trat 1983 in Kraft. Die CMS regelt den Schutz wandernder Tierarten über politische Grenzen hinweg und versucht so ihren speziellen Bedürfnissen gerecht zu werden. Aber wie bei allen völkerrechtlichen Abkommen ist eine Überprüfung der Einhaltung dieses Schutzes sehr schwierig. Eine nachhaltige, also artenerhaltende Nutzung von ausgewählten wandernden Tierarten schließt die Konvention nicht aus.

Bewegung und Stillstand

Zwischen 4.000 und 6.000 wandernde Tierarten soll es geben. Dabei werden nur solche wild lebenden Tierarten erfasst, die regelmäßig mindestens eine politische Grenze überschreiten. Zum Teil überwinden sie dabei ungeheure Distanzen: Störche legen beispielsweise bis zu 10.000 Kilometer zurück, um ihre Winterquartiere in wärmeren Gefilden zu erreichen. So kommt es auch, dass sie insbesondere auf internationale Schutzmaßnahmen angewiesen sind.

Gefährdung und Schutz

Doch wie kann ein Schutz für wandernde Tierarten erreicht werden? Wo genau liegen die Ursachen für ihre Gefährdung? Die Antworten sind so einfach wie erschütternd. Es sind ausschließlich menschengemachte Eingriffe in die Ökosysteme der Natur, die das Leben für wandernde Tierarten bedrohen und die Abkommen der CMS notwendig machen. Die stärkste Gefährdung für wandernde Arten ist nämlich ebendiese Vernichtung von Nist-, Rast- und Futterplätzen an ihren Wanderrouten. Also beispielsweise die Trockenlegung von Feuchtgebieten und die Bewässerung von Trockenzonen zum Bau von Siedlungen und Autobahnen oder zur Nutzung des Bodens. Oft ist es auch die bewusste Tötung der „lästigen Gäste“ durch den Menschen, wie im Falle vieler Zugvögel, deren Bestand durch Bauern und Fischfarmer gefährdet ist. Besonders tragisch ist, dass diese Vögel oft als Schadvögel angesehen und in ihren angestammten Rastgebieten von den Landwirten gejagt werden. Auch ein vermehrter Naturtourismus bedeutet für einige wandernde Tierarten eine Bedrohung. Ein anschauliches Beispiel für diese neuere Entwicklung ist die akute Gefährdung der Galapagos- und anderer Meeresschildkröten, deren letzte verbleibende Nistplätze dadurch massiv eingeengt werden.

Vom Aussterben bedroht oder langfristig gefährdet?

Der Schutz für wandernde Tierarten durch die CMS verläuft in einem Stufenverfahren. Erfasst werden wandernde Tierarten als „vom Aussterben bedroht“ bzw. „langfristig gefährdet“. Bei weniger akut gefährdeten Arten spricht man auch von einem „ungünstigen Erhaltungszustand“ und reicht das Problem an die regionalen Behörden weiter. Idealerweise sollen hier durch Regionalabkommen der betroffenen Länder eine Verschlimmerung der Situation verhindert werden. Im Falle der meisten Zugvögel wären das mehrere Länder Zentral- und Südeuropas und Nordafrikas. Die CMS dient dann als Rahmenvertrag, den es mit konkreten Maßnahmen und Regelungen zu aktualisieren gilt. Deutschland unterhält derzeit vier große Regionalabkommen: das EUROBATS (Abkommen zur Erhaltung der europäischen Fledermauspopulationen), das AEWA (Afrikanisch-eurasisches Wasservogelabkommen), das CWSS (Abkommen zur Erhaltung der Seehunde im Wattenmeer) und das ASCOBANS (Abkommen zur Erhaltung der Kleinwale in Nord- und Ostsee). Neben solchen oft nur mühsam zu erzielenden Regionalabkommen gibt es für langfristig gefährdete wandernde Tierarten über die CMS Verwaltungsabkommen mit Einzelstaaten, also beispielsweise zwischen den Vereinten Nationen und der Bundesrepublik Deutschland. Für akut gefährdete, vom Aussterben bedrohte wandernde Tierarten gelten bereits in der CMS konkrete Vorschriften: Hier müssen die Staaten, auf deren Gebiet sich das von Ausstreben bedrohten Art befindet, Schutzmaßnahmen ergreifen und Verbote zum Schutz der wandernden Tierart aussprechen. Dazu gehören als Maßnahmen die Erhaltung der Lebensräume, die Beseitigung von Wanderungshindernissen und sonstigen beeinträchtigenden Einflüssen sowie das Verbot von Entnahme aus der Natur, vorsätzlichem Töten und absichtlichem Beunruhigen.

Rote Listen und globale Erfassung

Im Interesse des besten Schutzes für wandernde Tierarten ist darüber hinaus die Erfassung von möglichst vielen Daten zu Verbreitungsgebieten und Wanderrouten wandernder Tierarten notwendig. Einen guten Anfang für solch eine Datenerfassung bietet das Weltregister wandernder Tierarten (Global Register of Migratory Species; GROMS), eine Referenzliste, die in Zusammenarbeit mit dem Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig in Bonn erstellt wurde und derzeit 4.430 wandernde Tierarten erfasst. Darüber hinaus gibt es sogenannte Rote Listen, die jährlich aktualisiert werden und derzeit rund 1.200 akut und langfristig gefährdete wandernde Tierarten erfassen. Schneeleoparden, Fledermäuse, Aale, Delphine, Haie, Nachtigallen, Wale und Schmetterlinge sind auf diesen Listen ebenso erfasst wie Elefanten, Störche, Meeresschildkröten, Eisbären und Robben. Bleibt zu hoffen, dass es einmal gelingen wird, die lange Liste der gefährdeten wandernden Tierarten zu verringern.