VON NORA GRAF
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16.09.2014 16:12
Geteilter Konsum: Startup Leihbar möchte den Markt verändern
Wer kennt es nicht, dieses Szenario: Man sitzt mit Freunden zusammen, um sich gemütlich zu Hause einen Film anzuschauen, und denkt: Jetzt noch ein Beamer und das Kinoerlebnis wäre perfekt. Doch wer kauft sich schon ein Gerät, das er nur hin und wieder benutzt und sich deswegen eine kostspielige Anschaffung nicht lohnt. Auf solche Geräte und andere Dinge hat sich das Berliner Startup-Unternehmen Leihbar spezialisiert. Verschiedene Waren, die zum Teil selten genutzt werden, können ausgeliehen werden, und das auf einfache und zukunftsfähige Weise.
Weg vom reinen Konsum in einer kapitalistischen Gesellschaft und hin zu mehr Teilen in einer Sharing Economy ist kein neuer Gedanke. Es gibt sie schon, die Tauschläden und Ausleihbörsen in verschiedenen Städten Deutschlands. Das Leihbar-Team möchte nun diese Idee weiterentwickeln und einen Schritt weiter gehen.
Automat statt Supermarkt
Die Idee ist einfach, praktisch und ökologisch. Leihbar möchte schrankähnliche Automaten, sogenannte Sharing Boxen an strategisch günstigen Plätzen aufstellen, in denen sich die selten benutzten Gegenstände befinden und die man gegen eine stündliche Gebühr ausleihen kann. Bohrer, Beamer, neueste Spielesammlungen und große Luftmatratzen für Gäste könnten dann problemlos an der nächsten Straßenecke ausgeliehen und auch ebenso einfach wieder dort zurück gebracht werden.
Damit fallen auch praktische Fragen weg: Soll ich mir die GoPro Action Kamera für viel Geld kaufen? Wo verstaue und lagere ich den Bohrer und den Werkzeugkasten? Wo entsorge ich letztendlich die alten Sachen? Und da viel mehr Menschen viel weniger Geräte nutzen, schont das Konzept knappe Ressourcen.
Social Entreprenuership
Soziales Wirtschaften für eine bessere Gesellschaft
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Angefangen hat alles mit einem
Social-Entrepreneurship-Projekt an der Technischen Universität Berlin, an dem der Wirtschaftsingenieur Andreas Arnold vor etwa zwei Jahren teilgenommen hat. Er entwickelte ein Konzept und fand durch Untersuchungen in seinem Freundeskreis heraus, dass die junge Generation nur noch einen Laptop und ein Smartphone braucht, daneben vielleicht noch einige Andenken, Bücher und Klamotten. Die anderen Sachen zu kaufen und den Rest der Zeit verstauben zu lassen, lohnt sich daher nicht mehr.
Unterstützt durch ein Stipendium der Bundesregierung und des Softwarekonzerns SAP für sozial orientierte Unternehmen gründete Arnold vor eineinhalb Jahren Leihbar, zusammen mit dem Medientechniker Markus Conzelmann. Inzwischen sind sie ein fünfköpfiges Team (mit dabei Jess Keil, Marvin Horstmann, Alexander Dohmen), das an der Vision einer nachhaltigeren Gesellschaft arbeitet.
Der Spaß steht im Vordergrund
Zukunftsfähig möchten die jungen Unternehmer damit sein, und vor allem Spaß soll das Ganze machen. Den Begriff der Nachhaltigkeit möchten sie nicht so gerne verwenden, denn: „Nachhaltigkeit klingt nach Verzicht.“ so
Markus Conzelmann und sei daher eher negativ behaftet. Es ist also weniger die Tatsache an sich, als vielmehr das Image, das den Begriff der Nachhaltigkeit umgibt. Verzicht und damit Schuld würden eher Gefühle wecken, die zu einmaligen Spenden, aber nicht zu dauerhaftem Umdenken führen. Die Produkte von Leihbar sollen vor allem schnell zu beschaffen, sinnvoll und qualitativ hochwertig sein. Und ganz nebenbei schaffen sie die Möglichkeit, sich von überflüssigem Besitz befreien.
Das Startup-Team geht in ihrem Konzept noch
einen Schritt weiter und das ist auch das neue an der Leihidee: Leihbar möchte sich selbst die Produkte von den Firmen leihen, die dann auch die Gegenstände reparieren, und dafür monetär beteiligt werden. Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Firmen werben ganz nebenbei für ihre Produkte und das Startup schafft so einen Anreiz für die Hersteller, hochwertige und langlebige Produkte zu produzieren. Die Vision von Leihbar: Das Nutzen von Gegenständen revolutionieren und damit den Markt verändern. Das muss jedoch noch etwas warten. Zuerst müssen die Fünf beweisen, dass ihre Idee im Kern funktioniert. Bislang konnten sie den Musikgeräthersteller Pokketmixer, der Kamerastativproduzent Luuv, sowie Acer und Siemens gewinnen.
Im Moment baut das Team noch an dem Prototypen der ersten Sharing Box, die in einem Studentenwohnheim in Berlin stehen soll. Damit die ganze Idee bald Wirklichkeit werden kann, wirbt das Team für Unterstützung mithilfe von Crowdfunding und eines Social Impact Start Award, für den der Nutzer im Internet abstimmen kann.
Und wer Leihbar vielleicht nicht aufgrund der etwas pathetischen Vorstellung unterstützen möchte, sich von Besitz zu befreien und mehr Zeit für Sinnvolles zu haben, so doch vielleicht aus dem einfachen Grund, sich einmal per Leih-Beamer ein echtes Kinoerlebnis nach Hause zu holen.