VON MICHAEL BLUM | 18.11.2016 08:10

Ausspähen unter Freunden – das geht gar nicht ;-)

So Angela Merkels gespielte Empörung als Erwiderung auf Berichte, die Aktivitäten der NSA in Deutschland, von welchen sogar der Kanzlerin heiliges Smartphone nicht verschont blieb, aufdeckten. Ein Drama, inszeniert nur für die heimische Bevölkerung, denn auf internationalem Parkett weiß man um die Methoden, auch die eigenen, die zur Stabilisierung der Macht angewandt werden. Leider mussten diese aber aufgrund öffentlichen Drucks zuerst erklärt und schließlich legalisiert werden. Und so kommen wir nun in den Genuss eines reformierten Gesetzes zur Überwachung des Bundesnachrichtendienstes. Ein Erfolg?


Vorbei sind die Zeiten, in denen Geheimdienste mühsam schriftliche Korrespondenz abfangen, Briefumschläge vorsichtig öffnen, Inhalte kopieren und dann alles wieder sorgsam verschließen und weiterleiteten mussten. Heutzutage ist es doch sehr viel leichter, sich über Artikel 12 der Allgemeinen Erklärung Menschenrechte (AEM) von 1948 hinwegzusetzen. Ob es die Öffentlichkeit zu lange als selbstverständlich ansah, dass auch die Neuland-Techniken wie SMS, E-Mails, Chats, Messengers und Soziale Medien unter den Schutz vor willkürlichem Eingreifen in Briefwechsel fallen? Lange genug jedenfalls, dass weltweit Organisationen wie NSA, BND & Co die Infrastrukturen schaffen und nutzen konnten, um flächendeckend und massenhaft eben diesen Artikel 12 AEM mit Füßen zu treten. Und es wäre wahrscheinlich noch lange so entspannt weitergegangen, wären nicht mutige Menschen wie Edward Snowden auf den Plan getreten, um der Öffentlichkeit vor Augen zu führen, was im 21. Jahrhundert aus dem Briefgeheimnis geworden ist: Die gesamte deutsche Auslandsaufklärung ist rechtswidrig.

Nur die Auslandsaufklärung? Zumindest war sie (erst) 2014 Thema eines Untersuchungsausschusses und (erst) dieses Jahr Anlass einer Reform der BND-Gesetzgebung in Deutschland.

Und was ist mit der Inlandsaufklärung? Für diese wiederum ist der BND ja gar nicht zuständig. Was beabsichtigt also dieses neue Gesetz? Es legalisiert die Ausspähung personenbezogener Daten „von Ausländern im Ausland“ – wenn diese Daten erforderlich, also zum Beispiel von „sicherheitspolitischer Bedeutung“ sind. Wie kann man sich nun eine ausschließliche Ausspähung ausländischer Personen im Ausland vorstellen, vor allem wenn klar ist, dass im Internet Daten nicht vom lokalen Postamt per Fahrrad zum richtigen Briefkasten transportiert werden, sondern in einzelnen Paketen, dezentral und im Zweifelsfall einmal um den Globus? Ein Anachronismus - den man auch einfach als Augenwischerei bezeichnen könnte - den das Gesetz nicht regelt und was bleibt, ist die Befürchtung, dass erst quasi in den Datenpaketen nachgesehen werden muss, ob sie nun in- oder ausländischer Natur sind. Das Resultat kann also nur eine Überwachung der gesamten Telekommunikation bleiben, will der BND seine gesetzlich verankerten Rechte auch wahrnehmen.

Hackt kaputt, was euch kaputt macht?

Die Frage ist nun auch, was geschieht denn mit unser aller, immer noch ausgespähten, Daten? Per Algorithmus gecheckt und dann wieder gelöscht? Tatsächlich ist es so, dass Daten nur dann gespeichert werden dürfen, wenn diese vorher festgelegte Suchbegriffe enthalten. Entwarnung? Mitnichten, denn pro Jahr werden beispielsweise 37 Millionen E-Mails auf 14 Millionen dieser Selektoren durchsucht.

Die staatliche Überwachung der digitalen Kommunikation geht also auch nach der Reform der BND-Gesetzgebung munter weiter. Das Szenario, das sich hieraus ergibt ist grenzenlos: Jeder Staat späht die anderen aus und dabei zwangsläufig auch die eigene Bevölkerung.

Doch nicht nur diese Vorstellung stimmt besorgt, sondern auch das Selbstverständnis, mit dem Gesetze geschaffen werden, welche das eigene Volk davor schützen sollen, Verstöße gegen das Menschenrecht auf Privatsphäre hinnehmen zu müssen, anderen Völkern dieses Recht aber gleichzeitig verwehrt wird. Zudem ist nicht akzeptabel, dass die Politik Gesetze hervorbringt, die der Bevölkerung keine Wahl lassen, als sich wiederum davor zu schützen. Wo soll das hinführen?