Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Artikel 4: „Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden; Sklaverei und Sklavenhandel in allen ihren Formen sind verboten.“ Eigentlich sollte dieses besondere Menschenrecht selbstverständlich sein, sind die Zeiten des Sklavenhandels doch schon lange vorbei. Oder etwa nicht?
Sklaverei heute
Sklaverei und Sklavenhandel gab es beinahe in allen historischen Kulturen – vom antiken Griechenland und Rom bis hin zum transatlantischen Sklavenhandel in der „Neuen Welt“. Erst im Jahr 1980 erklärte der afrikanische Staat Mauretanien als letztes Land der Welt den Sklavenhandel für strafbar, obwohl er bereits 1948 in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte als unzulässig deklariert wurde. Heute gilt die Sklaverei offiziell als abgeschafft und jedes Land der Welt (bis auf Nordkorea) hat Gesetze gegen Ausbeutung und Menschenhandel. Das bedeutet jedoch nicht, dass das Phänomen nicht nach wie vor existiert, im Gegenteil. Aktuellen Schätzungen zufolge leben heute mehr Menschen in Sklaverei, als zu jedem anderen Zeitpunkt in der Geschichte.
Der amerikanische Sklaverei-Forscher Kevin Bales schätzt, dass weltweit noch rund 27 Millionen Menschen in sklavereiähnlichen Verhältnissen leben. Der Global Slavery Index der australischen Walk Free Foundation schätzt die Zahlen noch höher ein und geht im Jahr 2016 von über 45 Millionen Menschen aus, verteilt auf 167 Länder. Beinahe 60 Prozent dieser modernen Sklavinnen und Sklaven verteilen sich auf die traurigen Spitzenreiter der Erhebung: Indien, China, Pakistan, Bangladesch und Usbekistan.
Wir alle sind Sklavenhalter – Durch Konsum oder Blindheit
Eine Form der modernen Sklaverei ist beispielsweise die Zwangsarbeit auf Baustellen oder in sogenannten „Sweat Shops“. Andrew Forrest, Initiator des Global Slavery Index, berichtet von Unternehmen, die Arbeitern ihre Pässe abnehmen, um sie am Fortgehen zu hindern und dann unter unwürdigen Bedingungen arbeiten und leben zu lassen. Die auf diese Weise produzierten Güter landen auch in europäischen Läden. Professorin Evi Hartmann von der Universität Erlangen-Nürnberg schätzt, dass auf einen „normalen“ Konsumenten ungefähr 60 Sklaven kommen.
Eine andere Form der Ausbeutung ist die Sex-Industrie, vor allem in Westeuropa. Einer Erhebung des OSZE zufolge bringen Menschenhändler/-innen jedes Jahr bis zu 500.000 Frauen von Ost- nach Westeuropa, um sie dort zur Prostitution zu zwingen. Vor allem Deutschland gilt dafür als „lukrativer Markt“, da es hierzulande kaum Gesetze gibt, die diese spezielle Form der modernen Sklaverei im Blick haben. Eine EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Menschenhandel und zum Schutz der Opfer konnte auch in diesem Jahr nicht konsequent umgesetzt werden.