VON ANGELA SCHWEIZER | 02.12.2016 18:59

Frauenrechte sind Menschenrechte

Jeder Mensch hat von Geburt an die gleichen Rechte, so die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Warum werden dann die Menschenrechte von Frauen extra proklamiert? Wurden Frauenrechte bei der Erklärung der Menschenrechte etwa nicht mitgedacht? UNI.DE geht der Frage nach, in welchem gesellschaftlichen und politischen Klima die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verfasst wurde, und warum Frauen bis heute geschlechtsspezifischer Gewalt und geschlechtsspezifischen Benachteiligungen ausgesetzt sind.



Als die französische Nationalversammlung am 26. August 1789 die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte veröffentlichte, markierte dies den Anfang großer politischer und sozialer Veränderungsprozesse und war gleichzeitig der Beginn von Demokratie in Frankreich. Dies galt jedoch nicht für alle: Die in der Erklärung proklamierten politischen Rechte galten nicht für Frauen, genauso wenig wie die Grundwerte „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“. Diese wurden, wie in vielen damaligen Gesetzen und Beschlüssen, nicht mitbedacht. Wie im Rest von Europa galten Frauen auch in Frankreich als politisch und rechtlich Unmündige. Frauen hatten kein Wahlrecht, kein Scheidungsrecht, materieller Besitz war ihnen untersagt, und sie lebten unter der Vormundschaft ihres Vaters oder Ehemannes.

Menschenrechte nur für Männer? Olympe de Gouges und ihr Kampf gegen das französische Patriarchat

Schon kurz nach der Erklärung der Menschenrechte formierte sich jedoch Widerstand: Die Frauenrechtlerin, Revolutionärin und Schriftstellerin Olympe de Gouges forderte die volle rechtliche Gleichstellung in ihrer im Jahre 1791 veröffentlichten Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin. Sie forderte darin nichts weniger als die volle rechtliche, soziale und politische Gleichstellung der Frauen. Die Menschenrechte, so de Gouges, müssten auf das Private ausgeweitet werden, da Menschenrechte nur für den öffentlichen Bereich galten, von dem Frauen ausgeschlossen waren. Zudem forderte sie die französischen Frauen auf, die Augen zu öffnen und anzuerkennen, dass die Französische Revolution ihnen nichts gebracht habe. Olympe de Gouges wurde kurze Zeit nach Bekanntwerden ihrer Erklärung verhaftet und unter der Terrorherrschaft von Robespierre als Royalistin angeklagt. Das Sondergericht für politische Andersdenke verurteilte sie zum Tod durch die Guillotine, und so wurde sie am 3. November 1793 auf dem Place de la Concorde in Paris hingerichtet. Es sollten fast zwei Jahrhunderte dauern, bis ihre Forderungen in allen europäischen Ländern in Recht gegossen wurden, und Frauen beispielsweise das Wahlrecht bekamen. Menschenrechtsverletzungen an Frauen waren jedoch weiterhin an der Tagesordnung und wurden sogar mit der im Jahre 1948 verabschiedeten Erklärung der Menschenrechte und dem darin proklamierten Recht auf die Freiheitssphäre des Einzelnen (Artikel 12) gerechtfertigt: „Niemand darf willkürlichen Eingriffen in sein Privatleben, seine Familie, seine Wohnung und seinen Schriftverkehr oder Beeinträchtigungen seiner Ehre und seines Rufes ausgesetzt werden.“ Der Schutz von Frauen vor Übergriffen in ihrem privaten Umfeld war überhaupt nicht vorgesehen.

Die Wiener Weltkonferenz – ein Meilenstein für den Schutz von Frauenrechten

Frauen an der Macht?

Erst in den 80er Jahren entbrannte eine internationale Diskussion darüber, dass auch Menschenrechtsverletzungen, die im Privaten stattfinden, vom Staat geschützt werden müssen. Im Jahre 1993 wurden diese Verpflichtungen auf der Wiener Weltkonferenz für Menschenrechte schließlich in einer internationalen Erklärung verdeutlicht, die Gewalt gegen Frauen als Menschenrechtsverletzung anerkannte. In der im Anschluss an die Konferenz verabschiedeten Erklärung zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen wurde insbesondere geschlechtsspezifische Gewalt thematisiert und festgelegt, dass Frauenrechte nicht aufgrund von kulturellen Gewohnheiten oder dem Verweis auf Tradition relativierbar sind. Folgende Gewalttaten wurden demnach explizit als Menschenrechtsverletzungen anerkannt: körperliche und sexuelle Gewalt, Gewalt im Zusammenhang mit Mitgift, Frauenhandel, Zwangsprostitution, weibliche Genitalverstümmelung, staatlich geduldete oder staatliche sexuelle und körperliche Gewalt.

Zahlen und Fakten der Menschenrechtsverletzungen an Frauen weltweit

Auch wenn sich seither einiges verbessert hat, kämpfen Frauen immer noch überall auf der Welt für ihre Rechte und riskieren dabei oft ihr Leben. Im Namen von Kultur, Religion oder Tradition werden sie nach wie vor in vielen Ländern diskriminiert und per Gesetz benachteiligt, im schlimmsten Falle sogar getötet. Etwa 100 Millionen Frauen „fehlen“ weltweit. Die Gründe dafür sieht Amnesty International in einer Abtreibung aufgrund des weiblichen Geschlechts oder der Tötung nach der Geburt. Bei etwa drei Millionen Frauen werden jedes Jahr die Geschlechtsteile verstümmelt. Bedrohung, Gewalt und Missbrauch erfährt jede fünfte Frau weltweit von ihrem eigenen Partner oder Ehemann. Die erschreckend hohen Zahlen beweisen, dass Frauenrechte weltweit immer noch nicht genügend geschützt werden und Frauen Gewalt erleiden, weil sie Frauen sind.