VON SUSANNE BREM
|
31.10.2016 13:07
Drohst du mir, droh‘ ich dir: Russland und die USA „modernisieren“ ihr Atomwaffenarsenal
Eigentlich ist es im Atomwaffensperrvertrag von 1970 genau geregelt: Die Atomwaffenstaaten sollen ihre nuklearen Geschosse abrüsten, die Nichtatomwaffenstaaten behalten den Verzicht auf Kernwaffen bei. So soll das internationale Wettrüsten gestoppt und eine friedliche und langfristig sichere Zukunft für die Menschheit gesichert werden. USA und Russland begegnen sich nun aber in aggressiver Manier; beide kündigen an, wegen der Aufrüstung des anderen auch selbst neue Nuklearwaffen zu bauen. Eigentlich ist schon allein die Androhung atomarer Angriffe völkerrechtlich illegal. Und dennoch: Die USA plant die Stationierung 20 neuer Kernwaffen in Deutschland – um Russland einzuschüchtern und ein „Gleichgewicht der Waffen“ wiederherzustellen. Putin fühlt sich bedrängt und kündigt eine entsprechende Reaktion an. Was genau hat es mit dieser Bereitschaft zum Neubau atomarer Sprengsätze auf sich? Und was bedeutet sie für den Mensch – auf der ganzen Welt?
Die USA will eine neue Nuklearstrategie fahren: 20 neue Atombomben möchte sie bald in Rheinland-Pfalz stationiert sehen. Sie sollen die 80-fache Sprengkraft der Hiroshima-Bombe von 1945 haben. Dafür möchte Präsident Obama satte 348 Milliarden US-Dollar innerhalb der nächsten zehn Jahre zur Verfügung stellen (umgerechnet etwa 311 Milliarden Euro). Die amerikanische Aufrüstung in Deutschland ist dabei Teil des innereuropäischen Bedrohungsszenarios gegen Russland. Die NATO (federführend Amerika), gibt an, der ständigen Aggression Russlands mit Vehemenz zu begegnen und die bislang „vergessene“ Modernisierung ihrer Atomwaffen in Mitteleuropa nachzuholen; angeblich, um mit Putin in Sachen Kernwaffen auf demselben Niveau zu stehen und eine einseitige Überlegenheit auszugleichen. Besonders alarmierend ist die Formulierung der „Modernisierung“: Die Waffen sollen kleiner und genauer gemacht werden; das klingt nach der Bereitschaft, sie auch einzusetzen. Russland wertet die Aufrüstung dazu als Drohung und möchte in gleicher Manier nachziehen – das Wettrüsten hat wieder begonnen.
Frieden schaffen ohne Waffen!
Militär kann keinen Frieden schaffen – diese Überzeugung eint Pazifisten. Einige von ihnen haben sich zur weltweiten Nonviolent Peaceforce zusammengeschlossen
[...]»
Atomare Abrüstung war eigentlich beschlossene Sache
Dabei wurde im März 2005 noch im Deutschen Bundestag mehrheitlich beschlossen, dass die USA ihre Nuklearbomben aus Deutschland abziehen müsse. Dasselbe steht auch im Koalitionsvertrag der Union und FDP von 2009. Doch nicht nur damit bricht Merkel, wenn sie neue Atombomben in Rheinland-Pfalz zulässt; allein schon die Verbreitung von Nuklearwaffen verletzt den Atomwaffensperrvertrag (Nichtverbreitungsvertrag, NVV). Zwar baut Deutschland keine eigenen Kernwaffen, darf sie aber im Rahmen der „Nuklearen Teilhabe“ als NATO-Mitglied einsetzen: Im Kriegsfall sollen nämlich deutsche Tornadojäger mit den hier gelagerten Sprengsätzen Angriffe fliegen. Ob nun die USA neue Killer mit Uran baut oder Deutschland selbst, wird damit unerheblich – atomwaffenfrei ist Deutschland nicht mehr.
Die Landesvorsitzende des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Baden-Württemberg, Dr. Brigitte Dahlbender, hinterfragt deshalb die Souveränität der BRD: Anscheinend ist die Entscheidung des Deutschen Bundestages kein Thema mehr, wenn die USA und die NATO entgegen gesetzte Pläne haben. Dahlbender kritisiert die Aufrüstung nicht zuletzt auch deswegen, weil gerade in der aktuellen Zeit höchster internationaler Spannungen das Aufstocken solcher Waffen nach außen eine Botschaft der Bedrohung aussendet. Gerade
Putin äußerte, einer Annexion der Krim durch die NATO auch mit Atommacht entgegensetzen zu wollen; ebenso werte er das Vordringen der NATO zur russischen Grenze durch die Ukraine als Drohung und Angriff, auf die er mit entsprechender Schlagkraft zu antworten bereit sei.
Nukleare Waffen sind gegen jedes Menschenrecht
Dahlbergers BUND-Kollege Axel Mayer spricht schließlich den unübergehbaren Fakt der humanitären Bedrohung durch Atomwaffen an: Jegliche Geschosse zur Massenvernichtung seien unvereinbar mit Völker- und Menschenrecht; in besonders schwerwiegendem Maß sei dies bei nuklearen Bomben der Fall, die jahrhundertelang massive Folgen für Leben und Gesundheit von Mensch und Natur nach sich ziehen. Daher wurde 2010 die
Humanitäre Initiative aus der Taufe gehoben: Sie fordert eine starke rechtliche Verbindlichkeit von Abrüstungsversprechen in der NATO und dazu eine strenge Überprüfung der Abrüstung aller betroffenen Staaten und deren Bündnissen. Zu diesem Zweck wurden bereits drei humanitäre Konferenzen abgehalten, damit Expertenräte, Atomwaffen ablehnende Staaten und auch die Zivilbevölkerung gemeinsam über atomare Rüstung und ihre gravierenden Risiken für Mensch und Natur austauschen können. 127 Regierungen gaben dabei das Versprechen ab, sich aktiv für die atomare Abrüstung einzusetzen. Alle Zusicherungen sind allerdings wertlos, wenn nicht tatsächlich auch endlich begonnen wird mit dem Verzicht auf nukleare Bomben und Sprengsätze. Im Gegenteil wird das Lagern zerstörerischer Massenvernichtungswaffen aber noch immer als notwendig dargestellt, um die Massenvernichtungswaffen anderer Parteien zu übertreffen – aus Machtgründen Einzelner, mit Konsequenzen für die ganze Menschheit.