Deutschland tut viel für Bildung, aber bei weitem nicht genug. So ließen sich die Ergebnisse des neuen OECD-Bildungsberichts, die Bundesrepublik betreffend interpretieren. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat wie jedes Jahr Daten zum Bildungsgrad der Bevölkerung ihrer Mitgliedsländer erhoben und diese zueinander und zu den Daten der Vorjahre in Beziehung gesetzt. Dabei betrachtet sie, und das sollte vorab erwähnt werden, Bildung in erster Linie als Schlüssel zu Einkommen und Wirtschaftswachstum.
OECD-weit betrachtet – d.h. über 34 Länder mit Demokratie, Marktwirtschaft und einem relativ hohen Pro-Kopf-Einkommen hinweg – ziehen die Autoren eine grundsätzlich positive Bilanz. Immer mehr junge Menschen streben einen tertiären, also akademischen Abschluss an und immer mehr erreichen dies auch: 41% sind es bereits im Durchschnitt. Sie haben nach ihrem letzten Abschluss leicht häufiger einen Arbeitsplatz als Arbeitskräfte ohne tertiären Abschluss, und sie werden dafür deutlich besser entlohnt als andere Erwerbstätige. Ob jemand aus einem Akademiker-Elternhaus kommt oder nicht, spielt in den OECD-Staaten wegen des hohe Anteils an Kindern in frühkindlichen Bildungsmaßnahmen tendenziell eine eher geringe Rolle. Ungleiche Bezahlung und Verzicht von in einer Beziehung lebenden Frauen auf Berufstätigkeit spielen unter Hochqualifizierten eine geringere Rolle als unter Berufstätigen mit niedrigeren Abschlüssen. Die Lehrkräfte schließlich werden schlechter bezahlt als Erwerbstätige mit vergleichbarem Abschluss und bei ihnen ist eine Überalterung festzustellen.
So weit, so pauschal. Denn erstens sind diese Befunde nur als OECD-Durchschnitt aussagekräftig, aber eben nicht zwingend auch für Deutschland, und zweitens geht der Bildungsbericht von impliziten Annahmen und Werten aus, die nicht von allen geteilt werden. Dass etwa in Deutschland derzeit immer neue Höchstzahlen unter den Erstsemestern vermeldet werden, mag drohendem Fachkräftemangel abhelfen – kann aber auch dazu führen, dass die Unis mittelfristig massenhaft erwerbslose oder unterbezahlt arbeitende Akademiker und Akademikerinnen produzieren. Immerhin wird von verschiedener Seite bezweifelt, dass Deutschland bald die Fachkräfte ausgehen. Die Wirtschaft hat aber natürlich ein Interesse an einem großen Angebot an Arbeitskräften, die umso billiger zu haben sind, je mehr es von ihnen gibt. Die (Bildungs-) Ungleichheit durch familiäre Herkunft wiederum ist nirgendwo in der EU so stark ausgeprägt wie in Deutschland, für das somit die OECD-Befunde nicht zutreffen dürften. Und weltweit betrachtet gehören Deutschlands Lehrer zu den am besten bezahlten und zu den besten Bedingungen (Lebenszeitverbeamtung!) arbeitenden, während sie nur in wenigen Bundesländern derzeit zu alt sind und nur in Ostdeutschland auch mittelfristig der Bedarf an ihnen das Angebot übersteigt.