VON DAVID SEITZ | 04.10.2012 17:01

Grundsatzurteil zur Kirchensteuer: Kein Geld – keine Sakramente

9% der Einkommenssteuer führen Kirchenmitglieder in Deutschland als Kirchensteuer ab. Eine Zahlung, an deren Sinn in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer mehr Bürger zweifelten. Doch nun erlangt dieser finanzielle Obulus an die Kirche eine ganz neue Bedeutung, mit fadem Beigeschmack: Nach einem Grundsatzurteil des Leipziger Verwaltungsgerichts entscheidet die Zahlung der Kirchensteuer zukünftig darüber, ob ein Bürger der katholischen Glaubensgemeinschaft angehört oder nicht – was für die Lebensplanung nicht folgenlos bleibt.

Der Ursprung des nun verabschiedeten Grundsatzurteils liegt einige Jahre in der Vergangenheit: Hartmut Zapp, Kirchenrechtler aus dem südbadischen Freiburg verweigerte damals die Zahlung der Kirchensteuer, erklärte jedoch im selben Atemzug, er fühle sich der Glaubensgemeinschaft noch immer zugehörig. Daraufhin witterte das Erzbistum Freiburg Gefahr und klagte gegen Zapp - vorneweg Robert Zollitsch, Vorsitzender der Bischofskonferenz.

Ohne Kirchensteuer keine Glaubensgemeinschaft

Die da oben – die da unten

Seit 26. September 2012 steht fest: Aus der Kirchensteuer auszutreten, aber gleichzeitig Teil der Glaubensgemeinschaft zu bleiben ist in Zukunft nicht mehr rechtmäßig. Doch was bedeutet das, nicht mehr „Teil der Glaubensgemeinschaft“ sein zu dürfen? Nach Auffassung der katholischen Kirche und nach der neuesten Rechtsprechung dürfen Zapp und andere Zahlungsunwillige nicht mehr an den heiligen Sakramenten teilnehmen. Kurzum: Keine Kommunion, keine Beichte auch keine kirchliche Heirat, keine kirchliche Beerdigung. Überspitzt formuliert bedeutet das neue Grundsatzurteil somit gleichzeitig die Manifestation eines modernen Ablasshandels. Sprich: Nur wer zahlt, dem werden durch die Beichte die Sünden vergeben, nur gegen Geld lässt sich eine kirchlich anerkannte Treue zu Gott zeigen.

"Du kannst nicht aus der Organisation Kirche austreten und weiter zur geistlichen Gemeinschaft dazugehören." So zitiert die ZEIT Hans Langendörfer, Sekretär der deutschen Bischofskonferenz. Es wirkt wie der verzweifelte Versuch einer aus der Mode gekommenen Institution, letzte Kräfte zu mobilisieren, um weiteren Mitgliederschwund zu unterbinden. Einem Glauben aus freiem Willen und in freier Form widerspricht die Zahlungspflicht für Sakramente jedoch gänzlich. Die soziale Erwünschtheit einer kirchlichen Ehe und einer würdevollen, kirchlichen Bestattung dürfte nach dem nun gefällten Urteil viele davon abhalten aus der Kirche auszutreten, obwohl sie sich mit der Institution selbst schon längst überworfen haben.

Grundsatzurteil gegen Mitgliederschwund

Von den rund 34,5 Millionen in Deutschland lebenden Katholiken traten 2011 mehr als 126.000 aus der Kirche aus – ein Warnsignal, bei dem natürlich auch die Gefahr finanziellen Verlusts mitschwingt. Fast 5 Milliarden Euro beschert die Kirchensteuer der katholischen Kirche pro Jahr, auch der Staat profitiert in Form von Gebühren. Der Schwund an zahlenden Mitgliedern kann durch das neueste Grundsatzurteil möglicherweise abgewendet werden. Eine Welle der Zuwendung zu ihren Ansichten und Werten wird die Kirche durch diese Verknüpfung von Kirchensteuer und Sakrament-Empfang aller Wahrscheinlichkeit nach aber nicht heraufbeschwören können.