VON ALEXANDER STIEHLE
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15.10.2012 13:13
Hinduismus - Einheit in der Vielfalt
900 Millionen Anhänger, Abermillionen von Göttern – Der Hinduismus ist nach dem Christentum und dem Islam die drittgrößte Weltreligion. Trotzdem gilt er auch als die rätselhafteste.
Allgemeines
Der Hinduismus ist keine einheitliche Religion – ganz im Gegenteil. Es ist ein Überbegriff für viele unterschiedliche Glaubensrichtungen. Weder gibt es ein einheitliches Glaubensbekenntnis, noch eine zentrale Institution. Viele hinduistische Strömungen berufen sich jedoch auf eine Sammlung von Schriften: Die Veda. „Veda“ ist Sanskrit und heißt „Wissen“. Anfangs handelte es sich dabei nur um mündliche Überlieferungen, später wurde sie schriftlich fixiert. Die älteste Textschicht, die ca. 1200 v. Chr. Bis 900 v. Chr. entstanden ist und den eigentlichen Kern der Veda bildet, heißt Samhitas (Sammlungen) und wird in vier Teile gegliedert: die Rigveda (Hymnen), die Samaveda (Lieder), die weiße und schwarze Yajurveda (Opferformeln) und die Atharvaveda (magische Formeln). Schließlich gibt es noch drei weitere Textschichten: die Brahmanas (Ritualtexte), die Aranyakas (Waldtexte) und die Upanishaden (philosophische Lehren).
Im Hinduismus gibt es eine Vielzahl von Göttern. Die genaue Anzahl lässt sich kaum bestimmen, denn dies hängt immer von der jeweiligen Glaubensrichtung ab. Doch meistens sind es viele Millionen. Was dementsprechend überrascht: Der Hinduismus gilt trotzdem als monotheistische Religion. Warum? Jeder Gläubige sucht sich einen Gott aus, den er anbeten will.
Geschichte
Der Hinduismus ist einer der ältesten Religionen der Welt. Er hat sich hauptsächlich im 1. Jahrtausend n. Chr. entwickelt, seine Wurzeln reichen aber weitere 2500 Jahre zurück. Die arischen Völker, die ca. 1500 v. Chr. in Nordwestindien einfielen, übernahmen einige Vorstellungen und Riten der Völker, die im Industal gelebt hatten. Die Arier waren ein großes und hellhäutiges Volk und kamen aus Zentralasien. Eine Gruppe siedelte sich in Nordgriechenland an, eine andere im Iran. Diejenige Gruppe, die sich im Iran angesiedelt hatte, spaltete sich wahrscheinlich auf und ein Teil davon wanderte dann nach Nordwestindien. Nachdem die Arier in Indien sesshaft wurden, bewirtschafteten sie das Land als Bauern und beteten Naturgottheiten an. Sie sprachen eine frühe Form von Sanskrit und organisierten sich in Stämmen. Die Darbringung von Opfern nahm eine zentrale Stellung in der Gesellschaft der Arier ein und durch den Kontakt mit dem Indusvolk kam es langsam zu einer Synthese der beiden religiösen Vorstellungen.
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Ein Aufruf für die Rechte der Frauen in Indien!
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Seit dem 1. Jahrtausend n. Chr. breitete sich dann der Islam aus und erlangte mit dem Mogulreich im 16. Und 17. Jahrhundert seine stärkste Ausbreitung. Schließlich kolonialisierten die Briten Indien, wodurch das
Mogulreich zerbrach und christliches Gedankengut in die indische Gesellschaft eingebracht wurde. So kamen die verschiedenen Hindu-Religionen über die Jahrhunderte hinweg mit sowohl dem Islam, als auch dem Christentum in Kontakt. Durch dieses Aufeinandertreffen kam es im 19. Jahrhundert zu gewissen Reformbewegungen innerhalb des Hinduismus. Diese Reformbewegungen stellten sich zum Beispiel gegen volkstümliche Bilderverehrung, Witwenverbrennungen und Kastenwesen.
Gesellschaft
Das
Kastensystem wurde per Verfassung vor 60 Jahren verboten, besitzt aber weiterhin in der indischen Gesellschaft soziale Relevanz. Der Ursprung dieses Systems lässt sich nicht sicher herleiten, doch es gibt Vermutungen, dass die Arier diese Gesellschaftsordnung etabliert hatten, um sich so von der Urbevölkerung abzusetzen, damit sie ihre „Reinheit“ bewahren. Insgesamt gibt es vier Hauptkasten: die Brahmanen (geistliche Gelehrte), die Kshatriyas (Krieger), die Vaishyas (Händler) und die Shurdas (Diener). Schließlich gibt es noch die Kaste der „Unberührbaren“, die sogenannten Dalits. Sie sind für minderwertige Arbeiten zuständig, wie zum Beispiel Toilettenreinigen oder Straßenkehren. In die jeweiligen Kasten wir man hineingeboren, hier kommt nun das
Karma ins Spiel. Hindus glauben an Reinkarnation. Während eines Lebens ist es wichtig, dass ein Hindu gutes Karma sammelt, um so eine Kaste aufzusteigen. Hierbei ist es gleichgültig, ob es sich um Taten, Worte oder Gedanken handelt. Jede dieser „Aktionen“ spielt am Ende des Lebens eine Rolle und wird über die kommende soziale Stellung nach dem Tod entscheidend sein. Nach dem Glauben der Hindus ist die Seele auf einer ständigen Reise. Wenn jemand verkrüppelt, gesund oder intelligent ist, ist dies ein Indiz dafür, wie das vorherige Leben geführt wurde. Der ewige Kreislauf der Wiedergeburt, das Samsara, kann durchbrochen werden, wenn das höchste Lebensziel erreicht wurde: die Erleuchtung (Moksha).
Obwohl der Hinduismus so eine vielfältige und facettenreiche Religion ist, können Gläubige aller Richtungen miteinander feiern und beten, auch wenn die jeweiligen Glaubensphilosophien nicht miteinander übereinstimmen. „Einheit in der Vielfalt“ ist eine oft verwendete Redewendung im Hinduismus.