VON ALEXANDER STIEHLE | 15.10.2012 12:37

Halal – betäubungsloses Schächten

Im Koran, Sure 5, Vers 2: Verboten ist euch das von selbst Verendete sowie Blut und Schweinefleisch und das, worüber ein anderer Name angerufen ward als Allahs; das Erdrosselte; das zu Tode Geschlagene; das zu Tode Gestürzte oder Gestoßene und das, was reißende Tiere angefressen haben, außer dem, was ihr geschlachtet habt; und das, was auf einem Altar (als Götzenopfer) geschlachtet worden ist. (..)

Die Essvorschriften der Muslime sind im Koran und in der Sunna geregelt. An für sich können Muslime alles essen, außer das, was ausdrücklich verboten wurde. Nahrungsmittel, die für den Verzehr geeignet sind, werden entsprechend der religiösen Vorschriften als „ halal“ bezeichnet. „Halal“ ist ein arabisches Wort und bedeutet so viel wie „erlaubt“ oder „zulässig“. Im Gegensatz dazu bezeichnet „haram“ das Unerlaubte. So ist es zum Beispiel nicht erlaubt, das Fleisch von Tieren zu verzehren, die vor der Schächtung betäubt wurden. Nach strenger, religiöser Auffassung wird das Tier durch die Betäubung verletzt und ist daher nicht mehr zum Verzehr geeignet. Außerdem wird befürchtet, dass das Tier durch die Betäubung stirbt, und somit nicht mehr halal ist. Nach islamischem Ritus muss dem lebenden Tier nach Aussprechen der Formel „Im Namen Gottes“ die Halsschlagader durchgeschnitten werden, so dass es ausblutet.

Wir Deutschen essen gerne Fleisch.

Das betäubungslose Schächten ist in Deutschland aus Tierschutzgründen grundsätzlich verboten (§4 TierSchG). Angehörige bestimmter Religionsgemeinschaften, denen zwingende Vorschriften ihrer Religion das Schächten vorschreiben, können jedoch eine Ausnahmegenehmigung von diesem Verbot beantragen. Im Januar 2002 entschied das Bundesverfassungsgericht auf Klage eines moslemischen Metzgers, dass Gläubige eine Ausnahmegenehmigung zum betäubungslosen Schächten erhalten können, sofern sie bei Antragstellung darlegen, dass ihr Glaube dies erfordere. Daraufhin wurde der Tierschutz im Grundgesetz verankert, was zur Folge hatte, dass die Genehmigungspraxis nach der Grundgesetzänderung sehr streng war. Dies hat zur erneuten Klage des moslemischen Metzgers geführt. Im November 2006 entschied das Bundesverfassungsgericht in Leipzig, dass trotz der Verankerung des Staatsziels Tierschutz im Grundgesetz, Religionsvertretern eine Ausnahmegenehmigung zum Schächten erteilt werden muss. Es sei nun am Gesetzgeber, das Tierschutzgesetz so zu ändern, dass dem Staatsziel Tierschutz Rechnung getragen wird. Nun gibt es aber auch einen Standpunkt des Verwaltungsgerichts, der besagt, dass ein Verbot des Schächtens nicht die Religionsfreiheit verletze, wenn den Gläubigen durch ihre Religion auch eine vegetarische Lebensweise erlaubt sei. Genau dies ist bei Moslems der Fall: Fleisch ist keine Notwendigkeit (bei 7:17).

Der deutsche Tierschutzbund fordert die Schächtung von Tieren generell zu verbieten. Zu Recht. Immerhin ist der Tierschutz im Grundgesetz verankert, daher sollte es auch keine Ausnahmegenehmigungen geben. Im Internet kursieren viele Videos, die die Schächtung dokumentieren. An und für sich wird das Tier nur zu Tode gequält. Ein Ritus, der in einer christlich-abendländischen Kultur nicht praktiziert werden sollte. Inzwischen gibt es sogar in der Türkei, also einem islamischen Land, gesetzliche Vorschriften zu dem Thema, indem „Vermeidung unnötiger Aufregung, von Schmerzen und Leiden“ beim Schlachten der Tiere verlangt wird. In Deutschland funktioniert das noch nicht. Generell scheint es zu Schwierigkeiten zu kommen, wenn es darum geht, den Spagat zwischen religiösen Riten und dem eigenen westlichen, moralischen Wertvorstellungen zu machen. Jüngstes Beispiel: die rituelle Beschneidung von Jungen. Sie soll in Deutschland erlaubt bleiben. Somit wird das Recht auf Religionsausübung über das Recht auf körperliche Unversehrtheit gestellt. Der Zentralrat der Juden begrüßt die Neuregelung, doch es gibt auch Kritiker. Manche fürchten, dass religiösen Riten, die bis jetzt verboten waren (weibliche Beschneidung), so ein Fundament gebaut wird, auf das man sich später berufen kann. „Es ist ein Fehler, die Beschneidung in Deutschland zu erlauben. Ein solches Gesetz schränkt das Kindeswohl ein statt es zu verteidigen“, sagt FDP-Abgeordneter Heiner Kamp.

Sicherlich spielt die Vergangenheit von Deutschland eine Rolle, wenn es darum geht klare Entscheidungen zu treffen bezüglich religiöser Streitpunkte. Es ist natürlich jedem selbst überlassen, was er glauben will, aber manchmal kollidieren die verschiedenen Wertevorstellungen einfach zu stark miteinander, sodass ein klares „Nein“ manchmal angebrachter wäre.