VON CLEMENS POKORNY | 17.02.2014 14:00

Ein kleines Ferkel gegen Gott?

„Wo bitte geht's zu Gott?, fragte das kleine Ferkel“: Ein bereits 2007 erschienenes Kinderbuch legt Kindern dar, wie lächerlich die drei abrahamitischen Weltreligionen eigentlich sind. In der Debatte darum wurde allzu oft mit einem falschen Toleranzbegriff operiert oder gar Antisemitismus unterstellt. Tatsächlich kann der hervorragend bebilderte, schmale Band bei aller für Kinder nötigen Vereinfachung einen wichtigen Beitrag zu einer religionskritischen Erziehung leisten.

Deutschland wird gott()los: Über ein Drittel seiner Bevölkerung bezeichnet sich als bekenntnislos. Die Berliner wollen nicht, dass ihre Kinder in der Schule zwischen Religion und Ethik wählen müssen, und selbst im konservativ-katholischen Bayern steigen die Zahlen der Ethikschüler kontinuierlich. Kein Wunder, dass es seit 2007 ein religionskritisches Kinderbuch gibt, dass die drei abrahamitischen Weltreligionen nicht gerade von ihrer besten Seite zeigt. In einer Zeit, da erregt über die Inhalte des Sexualkundeunterrichts debattiert wird, lohnt es sich, auch diesen Aspekt weltanschaulich umstrittener Erziehung näher zu betrachten.

Wie weit darf Religionskritik gehen?

Das kleine Ferkel und der kleine Igel leben glücklich miteinander, doch eines Tages macht sie eine an ihr Haus gepinnte Nachricht neugierig: „Wer Gott nicht kennt, dem fehlt etwas!“ Sie hatten zwar bislang nicht gemerkt, dass ihnen etwas fehlte, doch für neue Erkenntnisse offen, wie sie sind, machen sie sich auf den Weg zu Gott und gelangen schließlich zu einem Berg mit gleich drei Häusern des ominösen Herrn Gott darauf. Nacheinander erklären ihnen ein Rabbi, ein Bischof und ein Mufti die merkwürdigen Inhalte und Gebote ihrer jeweiligen Weltanschauung. So erfahren die Beiden etwa, dass nur Kinder einer Jüdin Juden sein können und dass Gott nicht „nett“ sei, immerhin habe er einmal mit der Sintflut fast alles Leben von der Erde getilgt. Der Bischof führt ihnen die Brutalität christlicher Symbolik (gekreuzigter Christus) und das in der Eucharistie sublimierte Menschenopfer vor. Und in der Moschee sehen Ferkel und Igel nicht ein, warum sie sich fünfmal täglich statt wie bisher nur einmal wöchentlich waschen und zu Allah beten sollen („Hat der Herr Gott denn einen Sauberkeitsfimmel?“). Von der Naivität der ungläubigen Tiere erbost bedrohen die Priester sie schließlich, doch als die drei Gottesdiener aufeinandertreffen, beschäftigen sie sich lieber damit, einander gegenseitig die Köpfe einzuschlagen. Und so kehren Ferkel und Igel heilfroh nach Hause und stellen fest: „Wer Gott nicht kennt, der braucht ihn nicht!“

Das konservativ geführte Familienministerium versuchte noch 2007, das Buch verbieten zu lassen, hatte aber keinen Erfolg. Die Vorwürfe gegen „Wo bitte geht's zu Gott?, fragte das kleine Ferkel“, die z.T. auch in der Presse wiederholt wurden, waren ja auch völlig haltlos: Erwiesenermaßen orientiert sich die Darstellung des Rabbis keineswegs an antisemitischen Klischees – selbst der Zentralrat der Juden betont dies. Alle drei Religionen kommen im Ferkelbuch gleich schlecht weg.

„Verächtlich gemacht“ werden sie aber entgegen der Darstellung des Ministeriums nicht. Der Texter Michael Schmidt-Salomon, seit 2006 Vorstandssprecher der humanistischen Giordano-Bruno-Stiftung, betont vielmehr, dass die tatsächliche Lächerlichkeit von Christentum, Judentum und Islam im Buch offengelegt werde. Immerhin sind alle Glaubensinhalte, die die Priester den Tieren präsentieren, für die jeweilige Religion repräsentativ und realistisch dargestellt – und das grundgesetzliche Gebot der Toleranz gegenüber der Religion müsse wohlverstanden werden: Immerhin bedeutet das lateinische Verb tolerare „ertragen“, nicht etwa „stillschweigend zur Kenntnis nehmen“. Und die beiden kleinen Tiere zeigen, anders als die in einen symbolischen Religionskrieg geratenden Priester, Toleranz: Statt lange mit den alten Herren über deren merkwürdige Ansichten zu diskutieren, machen sie sich lieber verschreckt auf den Heimweg.

Die Antwort auf ihre Ausgangsfrage, wer Gott denn sei, gibt das Ferkel selbst und zwar bereits beim Rabbi. Dieser hatte den Tieren erklärt, dass die Sintflut von Gott gesandt worden sei, um die Menschen zu bestrafen, weil diese fremde, bloß eingebildete Götter anbeteten. Und das Ferkel wendet nachdenklich ein: „Wenn die Menschen sich Götter einbilden können (...), woher wissen wir dann, dass du dir deinen Gott nicht auch einbildest?“ Damit stehen die Tiere vor der Religion wie Andersens Kind vor dem nackten Kaiser – was am Ende des Buches mit einem Bild nackter Menschen aufgegriffen wird. Manchmal braucht es die Fragen naiver Kinder (im positiven Sinne), um die Lächerlichkeit von etwas offenzulegen, an das alle glauben. Gerade deshalb ist das Buch von Schmidt-Salomon und seinem kongenialen Illustrator Helge Nyncke für Kinder so wichtig. Es sollte auch seinen Weg in die Schulen finden.

Michael Schmidt-Salomon/Helge Nyncke: „Wo bitte geht’s zu Gott?", fragte das kleine Ferkel.
Alibri Verlag 2007, ISBN-10 3865690300 (12 EUR)