VON MAXIMILIAN REICHLIN | 22.11.2013 14:58

Muriel Barbery – Die Eleganz des Igels

Die 2006 erschienene Erzählung „Die Eleganz des Igels“ (frz.: L'Élégance du hérisson) ist der zweite Roman der französischen Autorin Murel Barbery, für den sie mit zahlreichen Preisen geehrt wurde. Im wohlhabenden Teil von Paris treffen hier Menschen aufeinander, die auf den ersten Blick so verschieden wirken, wie es nur irgend möglich ist. Schließlich entdecken sie jedoch ihre Gemeinsamkeiten und lernen, das Leben zusammen zu meistern. Ein Roman über Ängste, Freundschaft und die große Liebe.


Paris. Reneé, eine Concierge, die Tolstoi verehrt und die Thesen von Marx diskutieren kann und Paloma, eine 12-jährige, die ihren Selbstmord plant. Beide leben in einer Enklave der Reichen und Schönen in der Stadt der Liebe. Beide sind weitaus klüger, als es für ihren gesellschaftlichen Stand oder ihr Alter schicklich wäre und beide verstecken sich daher. Paloma will sich nicht mehr mit den Sorgen dieser Welt, in der sie sich kaum heimisch fühlt, herumschlagen und beginnt daher, ein Tagebuch zu führen, in dem sie ihre Selbstmordpläne für ihren 13. Geburtstag festhält – zuvor will sie noch die Wohnung ihrer Eltern in Brand stecken. Reneé dagegen verkriecht sich in ihrem Schneckenhaus. Keiner der Reichen Bewohner des Hauses, in dem sie als Concierge arbeitet, soll erfahren, dass sie im Grunde klüger ist, als sie alle zusammen.

Diese beiden Charaktere begegnen sich erst, als ein neuer Mieter in das Haus einzieht – der japanische Geschäftsmann Kakuro Ozu. Zu ihm entwickelt Reneé, die bald von Ozu durschschaut wird, zunächst eine tiefe Freundschaft, später romantische Gefühle. Auch Paloma, die von der japanischen Kultur fasziniert ist, fühlt sich zu dem charismatischen Ozu hingezogen. So lernen sie sich kennen – und erfahren, dass sie sich ähnlich sind. Die 12-jährige Teenagerin und die 54-jährige Concierge werden Freunde und Gefährten und ihr Leben ändert sich. Reneé öffnet sich der Welt, Paloma verwirft ihre Selbstmordpläne.

Die Erzählung, obwohl sie in einer beinahe depressiven Stimmung beginnt, steigert sich im Verlauf der Handlung zu einer wahren lebensbejahenden „Feel-good-Story“. Dabei wird sie allerdings niemals seicht oder rutscht in Klischees ab. Mit einer großen erzählerischen Kraft schildert Barbery die Ängste, Hoffnungen und Träume der Charaktere und ihren Kampf mit den großen und kleinen Sorgen des Lebens – unfreundliche Mieter, desinteressierte Eltern, das seelische Gewicht vergangener Liebschaften und ignorante große Schwestern.

Die Schönheit der Erzählung liegt in ihrer psychologischen und philosophischen Wirkung. Die Gefühls- und Gedankenwelt der Charaktere, aus deren Sicht abwechselnd erzählt wird, steht ganz im Mittelpunkt. Die Botschaft, die auf jeder Seite des preisgekrönten Romans mitschwingt: Alleine kann keiner das Leben meistern. Und manchmal braucht es nur einen kleinen Anstoß, um sich selbst in einem anderen Menschen zu erkennen, so ungleich er auf den ersten Blick auch scheinen mag. Ein wunderschöner Roman über Liebe und Freundschaft. Empfehlung der UNI.DE-Redaktion: Zu genießen an grauen Tagen, in eine Decke eingerollt, mit einer dampfenden Tasse Tee in der Hand.

Barbery, Muriel: Die Eleganz des Igels
Deutscher Taschenbuchverlag (dtv). München, 2009
ISBN 978-3-423-13814-7. Taschenbuch. Preis: 9,90 €