„Jahre später, sie waren längst erwachsen und ein jeder verstrickt in sein eigenes Unglück, wusste keiner von Arthur Friedlands Söhnen mehr, wessen Idee es eigentlich gewesen war, an jenem Nachmittag zum Hypnotiseur zu gehen.“ Mit diesem Satz beginnt der Roman über die drei Brüder Martin, Iwan und Eric. Ihr Vater, der erfolglose Schriftsteller Arthur Friedland, besucht mit ihnen die Show eines Hypnotiseurs, die ungeahnte Folgen für ihn haben wird. Vom „großen Lindemann“, dem Star der Show, zutiefst gedemütigt, beschließt Arthur, sein altes Leben hinters ich zu lassen, um sich ganz seiner Leidenschaft, dem Schreiben widmen zu können. Selbst seine Söhne lässt er auf seiner rasanten Flucht aus der Bedeutungslosigkeit zurück.
Die Brüder wachsen ohne Vater auf, und gehen die unterschiedlichsten Wege. Der übergewichtige und fresssüchtige Martin wird Priester, ohne an Gott zu glauben, was ihn in eine tiefe persönliche Krise stürzt. Iwan wird Kunstkritiker und -händler, doch die Bilder, die er verkauft, hat er selbst gefälscht. Eric schließlich wird ein hohes Tier im Finanzwesen und verwaltet das Vermögen wohlhabender alter Männer, obwohl er deren Geld längst mit riskanten Spekulationen verloren hat. Er wird zunehmend paranoid und leidet unter Wahnvorstellungen; stets und ständig begegnet ihm ein seltsamer Mann, der ihn vor den schrecklichsten Unfällen warnt. Umso schlimmer, dass dieser Mann offenbar nicht Eric zu meinen scheint, sondern dessen Zwillingsbruder Iwan, der so ungebremst auf seinen eigenen Tod zusteuert, der eine seltsame Ähnlichkeit mit Szenen aus dem neuesten Buch seines Vaters hat.
In dieser postmodernen Achterbahnfahrt führt der Berliner Autor seine Leser in die Abgründe der menschlichen Seele. Stets aus der Perspektive seiner Figuren schildert er Identitätskrisen und Ängste und zeigt auf, wie bedeutungsvoll eine winzige Entscheidung für das Leben eines Menschen sein kann, gleichzeitig aber, wie bedeutungslos dagegen dieses Menschenleben ist. Das Wirken Gottes, des Zufalls oder des Schicksals, Schuld und Sühne, Verantwortung, Flucht und Selbsthass, all diese Eckpunkte, die Eric, Iwan und Martin durchleben, verquicken sich zu einem rasanten und oftmals verwirrendem Roman.
Die Geschichten der drei Brüder verketten sich immer weiter und die gewaltsame Lösung dieses Handlungsknotens bringt für jeden etwas anderes: Arthur erscheint wieder auf der Bildfläche und wird zu einem liebenden Großvater, Eric erlebt die Finanzkrise mit ungeahnten Folgen, Martin arrangiert sich mit Gott – doch das Gefühl einer Lösung will sich dennoch nicht einstellen. Letzten Endes wird kein Leser „F“ mit dem Gefühl aus der Hand lesen, eine tiefere Erkenntnis gewonnen zu haben. Vielmehr werden die Fragen, die diese Erzählung aufwirft, nicht mehr aufhören, an ihm zu nagen.
Kehlmann, Daniel: F
Rowohlt. Reinbek bei Hamburg, 2013.
ISBN 978-3-498-03544-0. Gebunden. Preis: 22,95 €