Einige Hindernisse waren zu überwinden, bevor der erste Asterix-Band der neuen Schöpfer erscheinen konnte. Schon längere Zeit war bemängelt worden, dass Zeichner Albert Uderzo die Lücke, die der frühe Tod seines kongenialen Partners René Goscinny im Jahr 1977 hinterlassen hatte, nie ganz zu füllen vermocht hatte. Den letzten Geschichten mangelte es aber nicht mehr nur an Wortwitz, sie verflachten zusehends. Exotische Völker und Kulturen schrumpften zur Staffage. Doch eine Zukunft seiner Schöpfungen ohne sein Zutun konnte oder wollte Uderzo sich nicht vorstellen, als er 2008 verkündete, Asterix und Obelix sollten dereinst mit ihm sterben.
Zum Glück besann er sich eines besseren und verkaufte, als ihm seine Arthrose das Zeichnen bereits sehr erschwerte, zusammen mit Goscinnys Tochter die Rechte an Asterix an den Buchkonzern Hachette. Der wählte mit Jean-Ives Ferri einen neuen Autoren aus und musste 2011 auch nach einem neuen Zeichner suchen, nachdem man mit den schon weit fortgeschrittenen Vorarbeiten Frédéric Mébarkis, der schon Uderzo assistiert hatte, nicht mehr zufrieden war. Der schließlich auserkorene Didier Conrad schuf dann innerhalb von kräfte- und pfundezehrenden neun Monaten die Zeichnungen zum Text von Ferri, den er angeblich erst nach Abschluss der Zeichnungen persönlich kennenlernte.
Das Ergebnis ihrer Bemühungen ist eine konventionelle Geschichte, die am Konzept der ersten 24 Bände anknüpft. An den Strand des tief verschneiten gallischen Dorfes wird ein in einem Eisblock eingeschlossener, gut aussehender Krieger in fremdländischer Tracht gespült. Wundersamerweise hat er die Tiefkühlung überlebt, doch auch die Heilkunst des Druiden Miraculix reicht nicht aus, dem Geretteten seine verlorengegangene Sprache zurückzugeben, damit dieser nach vielen vergeblichen Versuchen endlich seine Geschichte erzählen kann. Stattdessen produziert Mac Aphon („Megaphon“ und „Aphonie“ – Stimmlosigkeit) nur Versatzstücke moderner englischsprachiger Songs. Doch da er anhand seiner Bemalung und seines Schottenrocks zweifellos als Pikte (Schotte) identifiziert wird und sich wieder an die Lage seines Dorfes erinnern kann, machen sich Asterix und Obelix – leider ohne Idefix – auf, ihn nach Hause zu bringen. Während der Fahrt nach Kaledonien findet der Pikte seine Stimme wieder und verfällt nun ins andere Extrem, nämlich Dauerquasseln („Megaphon“). Bei den Pikten angekommen muss nun das Problem gelöst werden, Mac Aphons Verlobte Camilla aus den Händen von Mac Aphons Widersacher, dem bösen Mac Abberh („makaber“) zu retten, der Mac Aphon zu beseitigen versuchte, indem er ihn an einen Baumstamm gefesselt ins Meer treiben ließ, und der sich nun anschickt, König aller Pikten zu werden...
Der Wortwitz hat also wieder stärker Einzug bei Asterix gehalten. Und auch wenn mancher flache dabei ist („Aber wenn ich mir diese Tätowierung so ansehe...“ – „Vielleicht ein Tätowiener?“), knüpft Ferri damit an die von Goscinny begründete Tradition an. Auch Anspielungen auf Prominente begleiten den Leser auf vielen Seiten: So ist die Figur des Mac Abberh äußerlich am französischen Darsteller von Filmschurken Vincent Cassel orientiert, während MAc Aphon inhaltlich eher an Prinz Charles erinnert. Aus den Bezugnahmen auf politische Ereignisse – Klimawandel, europäische Asylpolitik, Volkszählungen – hätte durchaus mehr gemacht werden können. Insgesamt zerfällt die Geschichte nach starkem Beginn etwas. In seinen Zeichnungen lehnt sich Conrad eng an Uderzo an und sie können (vielleicht mit Ausnahme einiger matschiger Piktengesichter) als gelungen bezeichnet werden.
Alles in allem ist „Asterix bei den Pikten“ eine überzeugende Fortschreibung der Comicserie. Innovation dürfen die Fans vielleicht im nächsten Heft erwarten. Das Niveau der reinen Uderzo-Bände haben Ferri und Conrad jetzt schon mindestens erreicht, eher übertroffen.
Jean-Ives Ferri (Text)/Didier Conrad (Zeichnungen): Asterix bei den Pikten
Egmont Ehapa Verlag 2013. 48 Seiten.
ISBN 3-841-36435-7 (broschiert, 6,50 EUR)