VON NORA GRAF | 01.10.2016 10:46

„Hass-Sprech“ und „Gegen-Rede“

Das Internet: So möglichkeitsbietend es ist, so grausam kann es auch sein – wie die realen Dinge auch, die meist zwei Seiten haben. Zum einen erleichtert es vieles und ein Leben ist ohne das weltweite Netz nicht mehr vorstellbar. Zum anderen bringt es aber auch Seiten hervor, die einen oft sprachlos und hilflos vor dem Bildschirm zurück lassen. So wie die vielen menschenverachtenden Kommentare, die derzeit überall in den Sozialen Netzwerken gepostet werden, sogenannte Hate Speech. Und das scheint auch der passende Name zu sein, denn mit Meinungsäußerung hat das wenig zu tun, sondern eher mit reinem Hass und purer Herabwürdigung. Doch wie geht man am Besten damit um? Manches ist ein Fall für die Strafverfolgung, vieles Aufgabe der Sozialen Netzwerke. Doch es gibt auch Gegenwehr zu Hasskommentaren, die jeder einzelne in Form von sogenannter Counter Speech leisten kann.


Die Gründe, warum Menschen herabwürdigende Kommentare von sich geben, wurden an anderer Stelle ausführlich dargelegt: Die Anonymität, die die Verantwortlichen solcher Hasskommentare quasi unangreifbar macht sowie die Kritik, die in der digitalen Welt an der virtuellen Person derselben abprallt, ist ein Nährboden für Hate Speech. Überdies fehlt die direkte Reaktion eines Gegenübers, an der man Kommentare im wirklichen Leben normalerweise ausrichten und beim Sprechen schon mitbedenken würde. Es fehlt bei Online-Kommentaren also immer eine Kontrollinstanz, die die betreibende Firmen der Internetforen auch nur sehr einseitig ausfüllen. Bei Facebook zum Beispiel scheint die Richtlinie zu gelten: „Keine Brüste“. Hingegen „Keine Witze mit toten Kindern“ gibt es offensichtlich nicht.

Aufgrund dieser unglaubwürdigen Philosophie vieler Internetunternehmen rief Heiko Maas im Oktober vergangenen Jahres die „Task Force gegen Hassinhalte im Internet“ zusammen, die sich aus Internetunternehmen, Beschwerdestellen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zusammen setzt. Dem Bundesjustizminister geht es dabei um rechtliche Fragen, die in dieser komplexen Gemengelage aus unterschiedlichen Beteiligten und Vorgehensweisen geklärt werden müssen: Findet deutsches Recht in Sozialen Netzwerken Anwendung? Wie sieht es bei den Rechtsabteilungen von Facebook und Google aus? Ist die Belegschaft geschult, um strafrechtlich relevante Inhalte zu erkennen? Einen ersten Ergebnisbericht der Task Force gibt es bereits. Er hält wichtige Maßnahmen für die Internetunternehmen bereit, wie sie derartige Inhalte löschen. Das ist ein wichtiger Schritt und der große Teil der Plattformen wendet eine solche Praxis im Hinblick auf rassistische, antisemitische oder demokratiefeindliche Äußerung auch bereits an. Jedoch sind viele Inhalte strafrechtlich nicht verfolgbar und oft durch das Recht auf Meinungsfreiheit gedeckelt.

Bei solchen Hassbotschaften, die also nicht sofort strafrechtlich geahndet werden können, bedarf es der Unterstützung jeder einzelnen Person. Nicht nur die Wirtschaft und die Politik sind in der Pflicht, sondern auch die Zivilgesellschaft. Susan Banesch von der Harvard University zum Beispiel forscht seit mehr als 5 Jahren zum Thema Hass und Hetze im Internet. Die Professorin hat das „Dangerous Speech Project“ gegründet, das internationale Forschungskooperationen zu Hasskommentaren und Gegenmaßnahmen durchführt und als Informationsplattform in diesem Bereich dient. In einem Interview erklärt Susan Benesch: „Wenn jemand etwas Verletzendes, Hasserfülltes oder Gefährliches postet und ich dem etwas entgegne – dann nenne ich das Counter Speech.“

Schaut man sich etwa das Beispiel mit dem Fußballer Dani Alves an, wird klar, was raffinierte Counter Speech so effektiv macht. Der dunkelhäutige Fußballspieler wurde auf dem Rasen von einem rassistisch motivierten Fan mit einer Banane beworfen. Alves nahm sich die Banane, schälte sie und biss ab. Das Photo wurde auf Twitter sofort hundertfach weiter verbreitet. So entwaffnend können Satire und Humor sein.

Wertschätzende Kommunikation

Eine andere Form der Counter Speech hat mit Empathie und Interesse zu tun. Das heißt, man sollte sich nicht auf die Beleidigungen anderer einlassen oder sogar selbst beleidigend werden, es ist viel sinnvoller, sich persönlich für sein Gegenüber zu interessieren. Das signalisiert grundsätzlich Wertschätzung an der anderen Person, auch wenn man deren Hassbotschaften ablehnt. Wer nämlich Empathie und Interesse an der eigenen Person verspürt, dem falle es äußerst schwer, weiterhin menschenverachtende Kommentare und Hass zu verbreiten. Konstruktive Gegenrede setzt damit an der Wurzel des Problems an und bekämpft nicht nur die Symptome.

In jedem Fall sollte man sich zusammenschließen, um in der Gemeinschaft gegen Hate Speech vorzugehen. Nur so können Diskursnormen langfristig und nachhaltig verändert werden. Daher auch hier nochmal der Appell von Susan Bensch: „Erzählt Erfolge weiter und verbreitet die Idee!“