VON DAVID SEITZ | 12.04.2012 14:49
Geisteswissenschaftler: Wenn nach dem Studium die Arbeitslosigkeit droht
Juristen, Mediziner und Chemistudenten haben meist ein straffes Studium. Im Vergleich zu vielen Geisteswissenschaftlern haben sie kaum einen freien Tag unter der Woche, sitzen büffelnd in der Bibliothek, wenn Philosophen und Ethnologen draußen auf der Wiese liegen. Doch das harte Studium kommt nicht von ungefähr: Wer Jura studiert, weiß genau worauf er hinarbeitet. Wer später als Richter oder Staatsanwalt arbeiten will muss nunmal während des Studiums ein bestimmtes Wissens-Level erreichen. Geisteswissenschaftler haben diesen Druck in der Regel nicht. Ihnen steht eine breite Palette an möglichen Perspektiven nach dem Studium zur Verfügung. Das kann ein Vorteil sein, in vielen Fällen sorgt die fehlende Perspektive vor Augen jedoch für einen Tiefpunkt nach Ende des Studiums: Arbeitslosigkeit.
Risikofaktor Geisteswissenschaft
78% aller Geisteswissenschaftler finden laut einer Studie des HIS-Instituts für Hochschulforschung nach dem Studium nicht sofort eine Arbeitsstelle. Die Folge: Hartz 4 oder Jobs, für die Geisteswissenschaftler meilenweit überqualifiziert sind. Aus dem Gefühl, zur Bildungselite des Landes zu gehören, werden plötzlich Selbstzweifel. Geld und Zeit, die ins Studium geflossen waren erscheinen plötzlich wie verschleuderte Ressourcen. "Weiß ich, warum ich das studiere, was ich studiere?" Diese Frage sollten sich Geisteswissenschaftler immer wieder stellen, rät Volker Koscielny, Studienberater der Universität Münster – bevor die Arbeitslosigkeit droht.
Die beste Möglichkeit sich gegen die drohende Arbeitslosigkeit nach Ende des Studiums zu wappnen ist nach wie vor das klassische Praktikum während des Studiums. Jeder Student sollte sich bereits während des Studiums Gedanken darüber machen, wo sein Weg hinführen könnte. Praktika oder Nebenjobs bieten so einerseits eine wichtige Orientierungshilfe, zudem entwickeln sich so automatisch erste Kontakte in bestimmte Branchen. Werner d'Inka, Herausgeber der FAZ betont, dass gerade im Bereich Journalismus, der ein typisches Berufsfeld für Geisteswissenschaftler darstellt, Praktika für beide Seiten essentiell wichtig sind: "Es ist auch für die Redaktionen wichtig Praktikanten zu beschäftigen, denn so hat man eine erstklassige Rekrutierungsquelle."
Zähe Jobsuche als wichtige Übung
Selbst wenn Praktika während des Studiums zu kurz kamen, sollte man als arbeitsloser Geisteswissenschaftler nicht verzagen und auch den Weg zum Jobcenter nicht scheuen. Doch zuvor bietet es sich an, Verwandte und Bekannte nach möglichen Kontakten zu Firmen zu fragen, die Mitarbeiter suchen. Oftmals kommt man so über ein paar Ecken unverhofft doch noch an einen Job - und um die unerwünschte Lücke im Lebenslauf herum. Auch wenn die Arbeit nicht dem Studieninhalt entspricht – sie vermeidet Panik und verschafft Zeit, um nach einem Job zu suchen, der den eigenen Vorstellungen entspricht. Einen positiven Aspekt hat die verzwickte Situation: Wer einmal eine drohende Arbeitslosigkeit hinter sich hat, ist – sofern eine ähnliche Situation im Laufe des Lebens wieder auftritt – darauf vorbeitet.
So ernüchternd die Zahl von 78% arbeitslosen Geisteswissenschaftlern nach Ende des Studiums klingt, so optimistisch stimmt eine andere Zahl: Im Jahr 2011 waren von allen Erwerbspersonen mit Hochschulabschluss nach einem Jahr nur noch 4% arbeitslos. Die Zahl arbeitsloser Akademiker stieg in den letzten Jahren nie über 5%. Wer aus dem Loch nach dem Studium wieder hinausklettert oder gar nicht erst hineinfällt, hat also weiterhin beste Aussichten in der Berufswelt Fuß zu fassen.
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