VON CHARLOTTE MEYER | 04.03.2016 14:45

Gap Year – ein Jahr zwischen Schule/Uni und was?

Es ist schon komisch, dass dies eine feststehende Bezeichnung für etwas ist, das eigentlich alles Mögliche sein kann: Gap Year – das ist ein festgelegtes Jahr zwischen Bachelor und Master oder zwischen Abi und Studium, in dem man machen kann und soll, was man möchte. Viele Abiturientinnen und Abiturienten, aber auch Studis nach dem Bachelor brauchen erst einmal eine Pause, um zu gucken wie es für sie weitergehen soll. Bei straffen Stundenplänen und Theorie ohne Ende kann man schnell vergessen, was man eigentlich für sich selber und seine Zukunft möchte. Da kann ein Jahr Auszeit viel helfen, wenn man Orientierung braucht. UNI.DE hat sich unterschiedliche Wege für ein Gap Year angesehen.


Engagement mit Taschengeld

Die Möglichkeiten, ein ganzes Jahr zu füllen, sind sehr vielfältig und es kommt natürlich darauf an, was für ein Typ man selbst ist. Ich habe zum Beispiel nach meinem Bachelor einen Freiwilligendienst mit kulturweit.de gemacht und war ein Jahr lang an einem Goethe-Institut im Ausland. Das hat für mich gepasst, weil ich schon mal vorher im Ausland Deutsch unterrichtet und mich auch im Studium mit Sprache und Kultur beschäftigt hatte. Die pure Praxis während des Jahres am Goethe-Institut hat mir dann auch den Kopf gerade gerückt nach der ganzen Theorie im Studium.

Voluntourismus

Wer sich für Kulturarbeit nicht so sehr interessiert, aber sich trotzdem engagieren möchte, der wird unter den vielen Freiwilligendiensten in Deutschland und im Ausland sicherlich fündig. Da gibt es den Freiwilligendienst weltwärts.de in der Entwicklungszusammenarbeit in Ausland, die klassischen Freiwilligendienste FSJ und FÖJ – das Freiwillige Soziale oder Ökologische Jahr und auch neuere Programme wie den Bundesfreiwilligendienst oder das FSJ in Politik, Kultur und Sport. Die meisten Angebote richten sich an Schülerinnen und Schüler genauso wie an Studierende – hier wird kein Unterschied gemacht. Das Wichtigste ist der Wille zum Engagement und ein bisschen Taschengeld gibt es auch.

Im Grunde ist aber alles Mögliche drin in einem Gap Year. Um einfach mal von zu Hause rauszukommen, muss man ja nicht gleich einen Vertrag für einen Freiwilligendienst unterschreiben, sondern kann sich auch ein bisschen Zeit für sich gönnen. Zum Beispiel bei Sprachreisen oder Au-Pair-Aufenthalten. Einfach eine neue Sprache und Kultur erkunden oder Babysitten in einem fremden Land und so dort den Alltag miterleben. Manche nutzen ihre Zeit im Gap Year aber auch für Weltreisen und verdienen sich durch Work and Travel etwas dazu. Hier muss man nur wegen der Kosten aufpassen, denn oft werden Au-Pairs und Work-and-Travel Programme durch Agenturen vermittelt, die ihre Dienste in Rechnung stellen. Das hilft oft, um seinen Aufenthalt im Ausland gut organisiert zu bekommen und mit einem sicheren Gefühl zu starten. Wer mutig ist, kann es aber auch selbst in die Hand nehmen und sich unabhängig auf den Weg machen.

Neuer Input wartet an der Uni

Nach der Schule oder dem Bachelor kann man sich neuen Input auch an der Uni holen. Unter anderem bieten die Unis in München und Freiburg und auch die Universität der Künste in Berlin zum Beispiel ein Studium Generale an, wo man als Gasthörer in alle möglichen Fachbereiche hineinschauen und seinen Interessen nachspüren kann, bevor man sich für ein Studium entscheidet. Auch Praktika in unterschiedlichen Organisationen und Unternehmen sind eine gute Wahl, um Inspiration für den eigenen weiteren Weg zu sammeln. Manche großen Unternehmen bieten sogar Gap-Year Programme an, in denen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mehrere Praktika innerhalb eines Unternehmensverbunds ableisten und auch Zeit zum Reisen haben. Diese Programme sind allerdings nicht allen zugänglich. Sie richten sich meist an Bachelorabsolventen und –absolventinnen mit hervorragenden Leistungen, die im Anschluss an ihr Gap Year gleich ein Masterstudium planen.

Die Gretchenfrage, die viele umtreibt, bevor sie sich für oder gegen ein Gap Year entscheiden ist oft: Was bringt es mir? Bringt es mich in die richtige Richtung? Gedanken kreisen meist genauso um den eigenen Lebenslauf und die karrieretechnische Verwertung einer Auszeit. Allein der Begriff Gap – also Lücke – setzt schließlich schon voraus, dass es eine Art gerade Linie gibt, in der eine Auszeit eine Unterbrechung ist. Vielleicht muss man einfach den Begriff Gap Year abschaffen. Ist das Leben nicht ein Fluss, in dem Umorientierung und Auszeiten ganz normal sind?