VON MAXIMILIAN REICHLIN | 27.01.2016 14:42

Promovieren – Sinnvoll oder nicht?

Über 110.000 deutsche Studierende haben im letzten Wintersemester eine Promotion angestrebt, fast 30.000 haben ihren Doktor schließlich auch gemacht. Mehr als jemals zuvor. Die Gründe für eine Promotion sind vielfältig. Viele Studierende versprechen sich jedoch vom schmucken Doktortitel vor allem einen leichteren Einstieg in den Arbeitsmarkt sowie ein höheres Gehalt nach der Einstellung. Doch diese Hoffnung läuft oft auch ins Leere. UNI.DE sieht sich an, in welchen Berufen ein Doktortitel sinnvoll ist und in welchen nicht.


Der Doktortitel. Der höchste akademische Grad, den man erlangen kann. Eine Ehre, ein Privileg und eine Chance. Für viele Studierende jedoch vor allem eines: Aushängeschild für die eigenen wissenschaftlichen und fachlichen Fertigkeiten und somit doch ein echtes Plus, wenn es nach der abgegebenen Dissertation in den Berufsalltag geht. Oder nicht?

Die Promotion bringt oft Gehaltsvorteile mit sich...

In vielen Branchen ist ein Doktortitel ein zweischneidiges Schwert. Je nachdem, in welchem Fach eine Studentin oder ein Student promoviert hat und in welchem Unternehmen sie oder er arbeiten will, kann ein Doktortitel sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich bringen. Im Ingenieurswesen beispielsweise kann ein Dr.-Ing. durchaus der Schlüssel zu spannenden und interessanten Positionen sein, vor allem in den Bereichen Forschung und Entwicklung. Außerdem rechnet der Verband deutscher Elektrotechnik (VDE) für promovierte Berufseinsteiger mit einem Gehaltsvorteil von bis zu 25 Prozent.

Auch in anderen Berufen rechnet sich die Promotion. Am stärksten profitieren Doktoranden in den Bereichen Marketing und Kommunikation. Laut dem Stepstone Gehaltsreport von 2015 verdienen promovierte Berufseinsteiger in dieser Branche mittel- und langfristig bis zu 32 Prozent mehr, als ihre Kollegen ohne Titel. Noch einmal über die Dissertation nachdenken sollten dagegen Studenten in den Bereichen IT und Personalwesen. Die kommen durchschnittlich nur auf ein Plus von acht Prozent, und müssen diesen vergleichsweise geringen Zuwachs mit der anstrengenden Promotion gegenrechnen. Vier bis fünf Jahre dauert eine Doktorarbeit im Schnitt, Ingenieure und Informatiker brauchen oft noch länger.

Studieren gegen oder in die Arbeitslosigkeit?

...kann sich aber auch negativ auf die Bewerbung auswirken

Und das ist auch schon die Krux an der Sache. Die lange und anstrengende Promotion, die im Beruf ja auch ein paar Vorteile bringen soll, zusätzlich zu den beiden ehrenvollen Buchstaben vor dem Namen. Leider fehlt es in vielen Branchen dafür an Wertschätzung. Zwar bescheinigt der Doktorgrad die Fähigkeit zum selbstständigen wissenschaftlichen Lernen und zum geordneten Arbeiten. Wenn nun aber das fachliche Thema, mit dem sich die oder der Promovierte so lange beschäftigt hat, nicht zu den Aufgaben im Unternehmen passt, verfehlt die Promotion ihre Wirkung.

Gerade kleine und mittelständische Unternehmen stellen etwa Praxiserfahrung und teamortientiertes Arbeiten über einen Doktortitel – was für diejenigen ein Plus ist, die auf die Promotion verzichtet haben und nach dem Studium direkt in den Markt eingestiegen sind. Dem Dr. phil., sei er nun Philosoph oder Germanist, der nach der Promotion einen Job sucht, bringt der Titel in den meisten Fällen so gut wie gar nichts. Fachlich ein Genie, im Alltag allerdings nicht zu gebrauchen, da ihm fünf Jahre Berufserfahrung fehlen.

Studierende müssen überlegen, was sie tun und wo sie damit hin wollen

In anderen Bereichen, beispielsweise in der Naturwissenschaft, kommt man heutzutage ohne den vielgelobten Doktor überhaupt nicht weiter. Chemiker, Mathematiker oder Physiker tun also in der Regel gut daran, Arbeit und Zeit zu investieren, sonst rächt sich das spätestens beim Berufseinstieg. Das gilt sowohl für den freien Markt als auch für eine akademische Laufbahn. Andere wiederum, zum Beispiel Ingenieure oder IT-ler, haben auch die Möglichkeit, ihre Dissertation an und mit dem Wunschunternehmen zusammen zu verfassen. So verbinden sie das Prestige eines Doktortitels mit der Praxiserfahrung im Beruf und maximieren ihre Chancen.

Als Faustregel lässt sich aber festhalten, dass eine Promotion wohl überlegt sein will. Abhängig davon, ob Fach und Thema, in denen promoviert wird, zum späteren Berufswunsch passen oder nicht, entfaltet der gemachte Doktor schlussendlich entweder sein Gutes oder sein Schlechtes. Deswegen ist bei denjenigen Studierenden, die sich bereits auf eine Promotion ab dem kommenden Wintersemester vorbereiten, Marktüberblick und Kenntnis über die Anforderungen in der gewünschte Branche Trumpf.