Die reichen Länder der Welt tun nicht genug, um die Flüchtlingskrise unter Kontrolle zu bekommen. Das geht aus einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International hervor, der sich auf offizielle Zahlen der Vereinten Nationen stützt. Demnach landen aktuell rund 86 Prozent der weltweit 21 Millionen Flüchtenden in Ländern mit mittlerem oder niedrigem Einkommen, mehr als die Hälfte der Asylsuchenden ist auf nur zehn Länder verteilt: Jordanien, die Türkei, Pakistan, der Libanon, Iran, Äthiopien, Kenia, Uganda, die Demokratische Republik Kongo und der Tschad.
Reiche Länder müssen mehr für Asylsuchende tun
„Eine kleine Zahl von Staaten trägt eine viel größere Last, nur weil sie Anrainer eines Krisengebiets sind“, macht Amnesty-Generalsekretär Salil Shetty seinem Ärger Luft. „Diese Verteilung ist offenkundig nicht nachhaltig und sie setzt Millionen, die vor Krieg und Verfolgung aus Ländern wie Syrien, dem Südsudan, Afghanistan oder dem Irak fliehen, unerträglichem Elend und Leid aus.“ Der Bericht klagt die reichen Länder der Welt an, sich aus der Verantwortung zu stehlen, während die zehn genannten Länder, die zusammen nur rund 2,5 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung erbringen, einer enormen Belastung ausgesetzt werden. Alleine der Flüchtlings-Spitzenreiter Jordanien habe bereits 2,7 Millionen Asylsuchende aufgenommen.
Es fehle vor allem an finanzieller Beteiligung, am Angebot von Umsiedlungsplätzen für die Asylsuchenden sowie an sicheren Reiserouten. Ganz besonders schlecht schneidet für Amnesty die EU ab: „Im Angesicht von hunderttausenden von Asylsuchenden und Flüchtlingen, die gefährliche Reisen auf sich genommen haben um sich in Sicherheit zu bringen, ist es der EU und ihren Mitgliedstaaten nicht gelungen, eine einheitliche, menschliche oder respektvolle Lösung zu finden“, heißt es im Report. Die einzigen politischen Schritte, zu denen die EU-Staaten sich in der Flüchtlingskrise haben durchringen können, seien ausschließlich dazu gedacht gewesen, Flüchtlingsströme auszudünnen und die „Festung Europa“ für ankommende Asylsuchende zu schließen – beispielsweise durch die Schließung der Balkanroute.
Gezielte Menschenrechtsverletzungen zur Abschreckung von Asylsuchenden
Gleichzeitig ist im Amnesty-Bericht auch von gezielter Abschreckung von Flüchtenden die Rede. Als Beispiele dieser „Politik der Abschreckung“ tauchen im Report die gewaltsamen Grenzschließungen in diversen Balkanstaaten sowie die umstrittene Meeresrettungsmission „Triton“ auf. Aufgrund der verfehlten Rettungsoperationen sollen mehr als 4.000 der Flüchtenden, die von Libyen oder Somalia nach Europa einreisen wollten, im Mittelmeer ertrunken sein, so Amnesty. Die Menschenrechtsorganisation ruft daher zur Schaffung von sicheren Routen auf. Lobend erwähnt wurden im Amnesty-Bericht indes Kanada und Deutschland, letzteres als einzies EU-Land. Beiden Ländern bescheinigt die Organisation, sich der Verantwortung zu stellen und angemessen auf die Krise zu reagieren.