VON MAXIMILIAN REICHLIN
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31.07.2015 13:44
Leben ohne Toilette – Rund ein Drittel der Weltbevölkerung lebt ohne Sanitäranlagen
Wir können, wenn wir müssen, beinahe jederzeit und überall auf die Toilette gehen. Da erscheint es surreal, dass rund jeder dritte Mensch auf der Welt diesen Luxus nicht genießen kann. Im Jahr 2015 sind immer noch mehr als zwei Milliarden Menschen ohne Zugang zu hygienischen sanitären Anlagen, wie ein Bericht von Unicef und der WHO zeigt. Das stellt ein großes Gesundheitsrisiko dar, weshalb die Vereinten Nationen zusammen mit mehreren Hilfsprojekten dieses Problem zu lösen versuchen. Doch so einfach ist das gar nicht, denn nicht wenige Betroffene verzichten freiwillig auf Toiletten.
Etwa ein Drittel der Weltbevölkerung hat keinen Zugang zu ordentlichen Toiletten. Zu diesem Ergebnis kommt ein Bericht des UN-Kinderhilfswerk Unicef und der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der im vergangenen Monat in Genf vorgestellt wurde. Demnach fehlt es insgesamt 2,4 von mittlerweile rund 7 Milliarden Menschen auf der Welt an ausreichenden sanitären Anlagen, davon sind noch etwa eine Milliarde gezwungen, ihre Notdurft im Freien zu verrichten. Vor allem in ländlichen Gebieten, zu einem großen Teil in Südasien und Afrika, ist die Hygiene schlecht.
Die Bevölkerungsexplosion und ihre fatalen Folgen
Laut einem Bericht der Vereinten Nationen steuert die Weltbevölkerung auf ein Rekordniveau zu: Im Jahr 2050 sollen mindestens 9,3 Milliarden Menschen auf dieser Welt leben. Aber was dann?
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Die einen werden krank...
Das stellt für die betroffen Menschen ein enormes Gesundheitsrisiko dar. Fäkalien können das Grundwasser verschmutzen und die Ansteckungsgefahr von Krankheiten steigern. Die Studie
rechnet pro Jahr mit rund 800.000 Fällen tödlicher Durchfallerkrankungen, vor allem bei Frauen und Kindern. Mangelnde Hygiene durch fehlende Sanitäranlagen sei außerdem eines der Hauptprobleme bei der Bekämpfung der sogenannten „Vernachlässigten Tropischen Krankheiten“ wie Trachom oder Schistosomiase, die ebenfalls zum Tod führen können.
Ursprünglich hatten die Vereinten Nationen geplant, bis zum Jahr 2015 die Anzahl der Menschen mit Zugang zu sanitären Anlagen um rund drei Milliarden zu steigern. Das war eines der im Jahr 2000 festgesetzten Millenniumsziele. Verbessert hat sich die Toiletten-Situation seitdem allerdings nur für knapp zwei Milliarden Menschen. Zu wenig, findet die Leiterin der WHO-Sektion für öffentliche Gesundheit Maria Neira: „Solange nicht jeder Mensch Zugang zu angemessenen sanitären Anlagen hat, ist die Qualität der Wasserversorgung beeinträchtigt, und viele Menschen werden weiterhin an mit Wasser verbundenen Krankheiten sterben.“
...die anderen verzichten Freiwillig auf sanitäre Einrichtungen
Dabei sind nicht nur mangelnde Investitionen ein großes Problem. In vielen ländlichen Gegenden Indiens beispielsweise ist die Ablehnung von Sanitäranlagen auch kulturell und religiös bedingt. Da Exkremente im Hinduismus als unrein gelten, verzichten viele Inder, vor allem in den kleineren Dörfern oder in den Slums
freiwillig auf Toiletten. Auch das komplexe Kastensystem spielt hier eine Rolle, da es traditionell die Aufgabe der sogenannten „Unberührbaren“ ist, Toiletten zu reinigen und zu warten. Mit diesen wollen die Angehörigen anderer Kasten allerdings so wenig wie möglich zu tun haben. Die Folge: Auch hier verrichten beinahe 650 Tausend Menschen ihre Notdurft unter freiem Himmel.
Um solche Probleme zu lösen und um die Vereinten Nationen bei der Durchsetzung ihrer Millenniumsziele zu unterstützen, haben sich mittlerweile diverse Organisationen und Hilfsprojekte den Zugang zu sauberen Toiletten auf die Fahne geschrieben. So leisten etwa die
World Toilet Organisation oder der
Non-Water Sanitation e.V. unermüdlich Aufklärungsarbeit und errichten mit Hilfe von Spenden Toiletten in den ärmsten Regionen der Welt. So soll, geht es nach der WHO, bis 2030 die gesamte Weltbevölkerung Zugang zu Sanitäranlagen haben. Immerhin ist dies spätestens seit 2010 offiziell ein Menschenrecht.