Ein dritter Golfplatz für Rio
Obwohl laut Olympischem Komitee ein garantierter positiver Nebeneffekt der Olympischen Spiele der Umweltschutz ist, scheinen die Prioritäten der Stadtverwaltung Rio de Janeiros anders zu liegen.
Nach 112 Jahren wird Golf wieder zur Disziplin bei den Olympischen Spielen. Obwohl es bereits zwei Golfplätze in Rio de Janeiro gibt, wird nun ein weiterer gebaut, ein „olympischer“ Golfplatz. Die anderen zwei, die unter den 100 besten Golfplätzen der Welt aufgeführt werden, sind laut Stadtverwaltung nicht geeignet.
Der neue Golfplatz wird mitten in ein UNESCO Biosphärenreservat gebaut: Atlantischer Regenwald, von dem
nur noch ein Prozent seiner ursprünglichen Gesamtfläche vorhanden sind, muss weichen. Der Golfplatz wird von einem Privatinvestor finanziert. Das kommt dem öffentlichen Haushalt natürlich zugute. Der Investor handelte indes nicht selbstlos: Mit dem Bau des Golfplatzes wurde ein Gesetz verabschiedet, das ihn und seinen Partner, ein Bauunternehmen, dazu bemächtigte, in dem Naturschutzgebiet 22 Appartementblöcke mit jeweils 22 Stockwerken zu bauen. Luxuswohnen im Naturschutzgebiet. Mit olympischem Golfplatz direkt vor der Tür.
Umweltschutz oder Unterstützung des öffentlichen Haushalts? Rios Stadtverwaltung hat sich für letzteres entschieden.
Die Stadt wird saniert
"Rogge sagte mir, es wäre für die Olympische Bewegung ein außerordentlich positives Bild, wenn es gelänge, all diese Zonen (gemeint sind die Armenviertel, sogenannte Favelas) in Viertel zu verwandeln, wo die Menschen mit Würde wohnen können", meinte Rios Bürgermeister Eduardo Paes und bezog sich auf die Bitte von Jacques Rogge, die er während eines Mittagessens geäußert habe. Damit hatte der IOC-Präsident sicher nicht die Zwangsumsiedlung unter Androhung von Gewalt und Erpressung gemeint.
In der Praxis heißt das: Armenviertel auflösen, die Bewohner umsiedeln. Denjenigen, die nicht gehen wollten, wurde mit Zwangsversteigerung und Polizeigewalt gedroht. "Wird eine Wohnung zwangsgeräumt, darf die betroffene Person zwischen einer finanziellen Entschädigung oder einer Alternativwohnung an einem anderen Ort wählen", erklärt UN-Berichterstatterin Raquel Rolnik.
Die in den Favelas Lebenden wurden vor die Entscheidung gestellt: Umgerechnet 1.800 Euro Entschädigung annehmen oder in eine Wohnung, die 60 km entfernt ist, umziehen. Mit 1.800 Euro aber ohne Dach über dem Kopf kommt man nicht weit, in einer 60 km entfernten Wohnung zu leben, fast ohne Verkehrsanbindung, ist allerdings auch keine perfekte Lösung. Rund 250.000 Menschen mussten umgesiedelt werden, damit Rio in strahlendem Lichte erscheint und die Wohlhabenden „mit Würde wohnen können“.
Für das Wohl der Athleten werde gesorgt: Das neu gebaute Olympische Dorf begrüßte seine ersten Anwohner. Mit Wäscherei, Blumenladen, Kosmetiksalon, Post sowie einer „dining hall“ ausgestattet sorgt Rio dafür, dass sich die Sportler so richtig wohl fühlen, während 5 km entfernt die Menschen um sauberes Trinkwasser und Straßenbeleuchtung kämpfen.
Die Siedlung Vila Autódromo wurde zu einem Symbol des Widerstands gegen die städtische Räumungspolitik. Die Siedlung mit der dort lebenden einkommensschwachen Bevölkerungsgruppe ist der Stadtverwaltung ein Dorn im Auge. Sie grenzt direkt an den Olympischen Park und wäre eine gute Nutzfläche zum Bau neuer Immobilien für wohlhabende Investoren.
Doch die Einwohner ließen sich nicht ohne weiteres umsiedeln und stellten einen Volksplan auf, der bewies, dass Strukturverbesserungen in der Siedlung und das olympische Projekt sich durchaus nicht ausschließen. Dieser Volksplan wurde dem Bürgermeister 2012 vorgelegt und erläuterte, dass es weniger Kosten verursachen und zusätzlich umweltschonender und sozialverträglicher wäre, den Stadtteil urban zu erschließen statt die Bewohner umzusiedeln. Nach langen Verhandlungen und einer Massendemonstration im Jahre 2013 gingen weder die Stadtverwaltung, noch der Bürgermeister auf den Volksplan ein.
Stattdessen fing die Stadtverwaltung an, die Menschen mit verschiedenen Methoden zu überreden und gezielt Druck auszuüben. Die ärmsten Anwohner gaben nach und erklärten sich bereit, umzusiedeln. Sobald die ersten 200 Familien umgesiedelt wurden, ging der Abriss der Wohnhäuser los. Ohne Rücksicht auf die Verbliebenen.
Zu Beginn des Jahres standen in der Siedlung von anfangs 500 Häusern nur noch 50. Die Zurückgebliebenen leben nun unter schlimmen Bedingungen. Die Wasser- und Stromversorgung ist unregelmäßig, die Müllabfuhr kommt seltener und unter dem Schutt, den die Bauarbeiter irgendwann auch nicht mehr wegräumten, leidet das Straßennetz.
Der Bürgermeister behauptet weiterhin, dass jeder, der bleiben möchte, auch bleiben kann. Die durchgeführten Zwangsräumungen zeichnen jedoch ein anderes Bild.
Die Sicherheit muss gewährleistet sein
Und nicht nur bei der Durchführung von Zwangsumsiedlungen durch die Polizei kam es in Rio de Janeiro zu staatlicher Gewalt. Auch Protestkundgebungen und die Besetzung der Favelas durch das Militär sind davon geprägt.
In ihrer Kandidatur für die Olympischen Sommerspiele versprachen die Behörden von Rio eine sichere Stadt für alle. Die Statistiken beweisen allerdings das Gegenteil.
Amnesty International konnte nachweisen, dass vor und während Sportanlässen exzessive Polizeigewalt und andere Menschenrechtsverletzungen massiv zunehmen. Im Jahr der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 starben in Rio de Janeiro 580 Personen infolge Polizeigewalt. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies eine Zunahme von 40 Prozent. Das Vorgehen der Polizei sei von dem Motto „erst schießen, dann fragen“ geprägt. Vor allem seien junge schwarze Männer, die in den Favelas leben, davon betroffen.
Doch es kommt noch schlimmer: Am 10. Mai 2016 wurde das „allgemeine Gesetz der Olympischen Spiele“ verabschiedet, das das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit an Wettkampforten einschränkt. Die Polizeigewalt bei der Überwachung von Kundgebungen sei uneingeschränkt ausführbar.