VON CLEMENS POKORNY | 12.12.2012 17:01

Charlie Chaplin: Das existenzielle Scheitern des Kleinen am Großen

Charlie Chaplin ist mehr als ein Klassiker des Stummfilms. Seine Komik ist zeitlos, und auch als Privatmann lebte er unsterbliche Ideale vor.

„Alle elementare Komik gründet sich darauf, dass der Mensch in einer lächerlichen und peinlichen Lage handeln muss.“ (Charlie Chaplin) Das Geworfensein des Menschen in eine Zeit und Umwelt, die seinem Wesen fremd ist, das existenzielle Scheitern des Kleinen am Großen, worauf vielleicht tatsächlich jede Art von Komik basiert, machte wohl niemand so sehr zum Prinzip seiner heiteren Kunst wie Charlie Chaplin. Vermutlich ist dies auch der Grund dafür, dass er – anders als seine humoristischen Stummfilmkollegen Buster Keaton oder Harold Lloyd – bis heute populär geblieben ist.

Die darstellende Kunst war Chaplin in die Wiege gelegt, der am 16. April 1889 als Sohn englischer Schauspieler geboren wurde. Während die Ehe seiner Eltern schnell scheiterte und die Familie in permanenten Geldsorgen feststeckte, zeichnete sich beim jungen Charles bald ab, dass er in der Schauspielerei ein sicheres Auskommen finden würde. Bereits als Fünfjähriger trat er in Londoner Music Halls (Varietés) auf, in denen auch seinen Eltern arbeiteten. Über Engagements in Theatern kam Chaplin noch nicht zwanzigjährig zu einem Zweijahresvertrag beim Theaterproduzenten Fred Karno, der auch den fast gleichaltrigen Arthur Stanley Jefferson („Stan Laurel“) entdeckte. Mit dessen komischen Pantomimenspielen tourte Chaplin zweimal erfolgreich durch die Vereinigten Staaten und blieb schließlich dort, um eine besser bezahlte Arbeit bei einer Filmgesellschaft anzunehmen.

Schnell wurde klar, dass Chaplins Komik einer ganz eigenen Art von Film bedurfte, sodass er bald begann, selbst Regie zu führen. Erhielt er bei seiner ersten Firma noch 100 Dollar pro Woche, handelte er bei den nächsten beiden, die folgen sollten, 1000 bzw. sogar 10.000 Dollar als wöchentliche Gage aus. Bereits 1915 galt Chaplin als Star. Auch die vierte Filmfirma innerhalb von drei Jahren sagte ihm langfristig nicht zu und er gründete 1919 zusammen mit Kollegen die United Artists (2007 von Katie Melua im Lied „Mary Pickford“ besungen). Deren erste Produktion, zugleich Chaplins erster ernster Film, wurde ein Misserfolg. In den 1930er-Jahren blieb Chaplin mit Lichter der Großstadt und Moderne Zeiten dem Stummfilm treu, während der Tonfilm bereits etabliert war. Beide Filme, deren Musik von Chaplin selbst komponiert worden war, liefen erfolgreich und festigten seinen Ruhm.

Privat hatte der Komiker weniger Glück: schon seit Beginn seiner Filmkarriere führte er ausschließlich kurzlebige Beziehungen mit seinen meist sehr jungen Filmpartnerinnen.

Zivilcourage zeigen...

Chaplins erster Tonfilm, Der große Diktator (1940), war in den USA äußerst umstritten. Insbesondere die Konservativen verstanden ihn (zu Recht) als Kritik nicht nur an der Diktatur Adolf Hitlers, den sie teilweise noch als ernst zu nehmenden Verbündeten im Kampf gegen die Sowjetunion ansahen, sondern an allzu mächtigen Staatsapparaten und Militarismus überhaupt, wie unter anderem der flammende Appell für Demokratie und Freiheit des Protagonisten wider Willen zeigt. Chaplin, der bereits während des 1. Weltkriegs mit Gewehr über eine Satire auf das Militär produziert hatte, bekannte sich nun offen zum Pazifismus. Falschen Behauptungen der Nazis, er sei Jude, widersprach Chaplin aus Solidarität mit den Verfolgten des NS-Regimes nie.

Sein hintergründiger, bisweilen gesellschaftskritischer Humor kostete ihn während der McCarthy-Ära die Wiedereinreisegenehmigung in die USA nach einer Europareise, und so beschloss Chaplin, sich in der Schweiz niederzulassen. Mit seiner vierten Ehefrau Oona, der Tochter des Literatur-Nobelpreisträgers Eugene O'Neill, und den sechs gemeinsamen Kindern lebte Charlie Chaplin dort glücklich bis zu seinem Tod im Jahre 1977.

Seine Komik ist unsterblich geblieben. Ob im Stumm- oder Tonfilm, der „Tramp“ mit Zweifingerschnurrbart, übergroßer Hose und Schuhen, enger Jacke, Bambusstock in der Hand und Melone auf dem Kopf wird überall auf der Welt mit Charlie Chaplin identifiziert: die Rolle, die Chaplin so oft spielte, ist zu einer Ikone des frühen Films geworden. Sein Slapstick beeinflusst Kollegen bis heute. Und mit seinem großen Thema, dem Scheitern des Kleinen am Großen, bringt Charlie Chaplin uns bis heute zum Lachen.