VON JULIA ZETZ
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12.04.2014 18:47
Optische Manipulation - Liebe auf den zweiten Blick? Wie wichtig der erste Eindruck ist...
Der erste Eindruck zählt. Das wird uns schon früh beigebracht. Wenn wir zu wichtigen Terminen gehen sollen wir adrett und ordentlich aussehen, uns die Haare kämmen und etwas Passendes tragen. Wir sollen so aussehen, als könnten wir kein Wässerchen trüben, als würden wir dazu passen, uns in das System eingliedern. Wir lernen, dass wir von anderen Menschen nach unserem Äußeren beurteilt werden, nachdem, was wir zu sein scheinen, nicht nachdem, was wir tatsächlich sind. Wenn wir einen Menschen zum ersten Mal kennen lernen, beurteilen wir ihn sofort nach seinen Äußerlichkeiten und schließen davon auf seine Persönlichkeit. So in etwa könnte man in einfachen Worten den Halo-Effekt beschreiben. Man möge mir verzeihen, wenn ich diese Kognitive Verzerrung, deren Ursprung aus der Sozialpsychologie kommt, nicht ganz korrekt beschrieben habe, aber ich möchte hier und jetzt ein Exempel statuieren: Keine Macht der optischen Manipulation!
Es gibt Behauptungen, die sagen, dass wir Menschen rund 90 Sekunden brauchen um uns über andere eine Meinung zu bilden. Angeblich liegen wir damit in vielen Fällen richtig. Aber wenn wir mal ehrlich sind, dann beurteilen wir die Menschen, die wir kennen lernen zuerst nach ihren Äußerlichkeiten. Wer nun behauptet, ihm sei das Aussehen nicht wichtig, dem unterstelle ich, dass er lügt.
Kleider machen Leute
Charakterzüge wie Selbstbewusstsein, Extravertiertheit und Religiosität lassen sich sogar auf Fotos von Unbekannten recht genau ausmachen. Stimmt das?
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Der zweite Eindruck
Ich behaupte, dass wir Menschen uns in neun von zehn Fällen täuschen. Wir schätzen unsere Mitmenschen falsch ein und schieben sie damit in eine Schublade, in die gar nicht hinein passen. Dass der erste, zweite und sogar manchmal der dritte Eindruck täuschen können, beweist die Geschichte von Isabella und ihrem Freund. Die beiden kennen sich schon lange Jahre. Dass er auf sie steht, wusste die ganze Welt, dass sich Isabella nach drei Jahren Freundschaft in ihn verlieben würde, hätte sie bis vor ein paar Monaten niemals geglaubt. Ich wollte von ihr wissen, wie das geschehen konnte: „Naja, auf einmal erschien er mir als ein ganz anderer Mensch. Ich habe ihn mit ganz anderen Augen gesehen, so als hätte ich ihn erst vor zwei Sekunden kennen gelernt“.
Auf den ersten Blick mag diese Geschichte nichts mit dem Grundtenor zu tun haben, nämlich, dass wir Menschen uns viel zu schnell über Andere ein Urteil bilden, aber auf den zweiten Blick – und da wären wir wieder beim Thema – zeigen uns Isabella und ihr Freund, dass wir nicht immer richtig liegen. Natürlich habe auch ich Menschen in eine Schublade gesteckt, von der ich gar nicht wusste, ob sie überhaupt in eine solche gehören. Und wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, dann tun wir das jeden Tag. Wenn wir einen Obdachlosen auf der Straße sehen, dann versuchen wir uns selten in seine Situation hinein zu versetzen. Wir verurteilen ihn als Schnorrer, der von unserem Geld leben möchte.
Ich plädiere für eine zweite Chance
auf den ersten Eindruck. Für ein tiefes Durchatmen und eine zweite Beurteilung über einen Menschen und zwar unabhängig von seinem Äußeren. Und ja, auch ich beurteile meine Mitmenschen manchmal nach dem ersten Eindruck. Doch dann denke ich an Isabella und ihren Freund und daran, wie glücklich sie der zweite Eindruck gemacht hat.