VON CLEMENS POKORNY
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02.04.2014 14:11
The Sol Cinema: Kritisches Kino auf Rädern
In London ist das wohl kleinste Kino der Welt beheimatet: „The Sol Cinema“ zeigt kritisch-politische Kurzfilme in einem umgebauten Caravan. Meist gastiert es auf Festivals, leider bisher nur auf den Britischen Inseln. Während die Ausstattung betont traditionell daherkommt, haben die Videos Sprengkraft. Hinter dem Projekt steht nämlich Undercurrents, eine Gruppe von Aktivisten, die von den Mainstreammedien ignorierte Themen aufbereiten – mit Erfolg.
Es besteht aus einem Wohnwagen mit komfortablen Plüschsitzen und ist gelegentlich auf den gesamten Britischen Inseln unterwegs: „The Sol Cinema“ bringt Kino überall hin, wo es gebucht wird und wo das Gefährt einen Parkplatz findet. Seinen Namen hat es von den drei Solarmodulen, die den ganzen Tag Sonnenenergie einfangen und damit den gesamten Energiebedarf decken. Ganze acht Erwachsene finden im Sol Cinema bequem Platz. Popcorn gibt es natürlich auch, und die Platzanweiserinnen, im echten Leben meist Künstlerinnen, stecken in schmucken roten, mit Epauletten besetzten Uniformen. Vor allem bei Festivals aller Art wird den Besuchern der rote Teppich ausgerollt. Damit bietet das kleinste Lichtspieltheater der Welt ein wunderbar nostalgisches Ambiente.
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Aber nicht nur das Kino selbst ist ein paar Nummern kleiner als gewöhnlich, auch die Vorführungen dauern maximal zehn Minuten, denn The Sol Cinema zeigt ausschließlich Kurzfilme. Größtenteils werden sie von den Machern selbst gedreht, denn hinter dem Kino stehen die Videoaktivisten von
Undercurrents („Untertöne“). Die Gruppe
gründete sich 1993, als desillusionierte Fernsehfilmer und Gegner eines südenglischen Straßenbauprojektes sich zusammentaten, um als alternative, nicht-kommerzielle Nachrichtenagentur zu berichten, wie Dutzende Häuser und alte Bäume der geplanten Verkehrsader im Osten Londons weichen sollten und wie sich die Zivilgesellschaft dagegen zur Wehr setzte. Letztlich konnte die „M11“ genannte Verbindungsstraße nicht verhindert werden, aber in der Bevölkerung war ein Bewusstsein für die Probleme von Großprojekten erwacht. Die Undercurrents aber zeigten weiterhin Nachrichten, die die Mainstreammedien damals wie heute kaum lancieren, vor allem über Protestaktionen von Tier- und Umweltschützern, antikapitalistischen Gruppen und Globalisierungskritikern. Sie waren gezwungen, ihre „alternative news“ selbst auf Videokassette zu verbreiten, weil die Fernsehstationen sich nicht für ihre News interessierten, vom deutschen Privatsender Pro7 einmal abgesehen. Ab der Jahrtausendwende hatte sich das Blatt zugunsten der Graswurzelbewegung gedreht und auch kommerzielle Medien sendeten zunehmend die Videodokumentationen der Filmemacher – z.B. über die Aktionen von Londonern, ihre verstopften und gefährlichen Straßen von den Autos zurückzuerobern. Filme über Videoüberwachung im öffentlichen Raum, die Proteste gegen den G8-Gipfel in Genua (2001), Todkranke und den Klimawandel folgten, bevor die Undercurrents nach zweijähriger Spendensammlung im Jahr 2009 The Sol Cinema zur Präsentation ihrer Videos begründeten.
Seitdem trägt das kleinste Kino der Welt kritische Perspektiven auf unsere Welt in Schulen, zu Konferenzen und auf Festivals. Videoworkshops sorgen dafür, dass der interessierte Nachwuchs die technischen Fertigkeiten für das Graswurzelfilmen erwerben kann. Dokumentarfilme, insbesondere radikale Beiträge zu Umweltthemen, können auf dem Festival
beyondTV erlebt werden, das Undercurrents selbst ins Leben gerufen hat. Hinter der Attraktion „The Sol Cinema“ steckt also nach wie vor viel kritisches Potential. Leider kommt The Sol Cinema nicht aufs Festland...