VON SINEM S. | 03.04.2012 11:08

Du sollst nicht neiden...

Der Nachbar hat einen größeren Garten, die Kommilitonin bessere Noten und die beste Freundin eine nach außen hin wunderbar funktionierende Beziehung. Grund genug für manche, grün vor Neid zu werden. Was genau passiert mit uns, wenn wir jemanden etwas neiden? Gönnen wir ihm dann einfach gewisse Dinge nicht, oder wollen wir etwas noch Besseres für uns selbst? Warum fühlen wir uns dennoch schlecht, bei dem Gedanken „neidisch“ zu sein (zumindest manche)? Eine Spurensuche.

Schon die Kirche nimmt Neid als sogenannte „Wurzelsünde“ in die Liste der 7 Sünden auf, die Mensch nicht fühlen sollte. Und danach handeln schon gar nicht. Dies gestaltet sich wohl etwas schwierig, denn dort wo es Menschen gibt, gibt es auch vermeintlich schlechte Charaktereigenschaften, die man nicht so gerne haben möchte. Wer behauptet, er sei in seinem Leben noch nie neidisch gewesen, der macht sich entweder selbst etwas vor, oder verdrängt niedere Gefühle so stark, dass sie ihm gar nicht bewusst sind. Neid lässt einen aber häßlich erscheinen, missgünstig, kleinlich. Nicht unbedingt die Eigenschaften, mit denen man sich hervorheben möchte in unserer Gesellschaft. Aber: Neid ist ganz normal, ja sogar sehr wichtig. Denn er kann uns antreiben, uns zu einem besseren Ich verhelfen, im Job eine Herausforderung mehr anzunehmen und unsere eigenen Ziele immer wieder neu überprüfen lassen. Verstecken nützt nichts. Irgendwann erwischt es jeden einmal. Schon bei den alten Griechen waren selbst die Götter nicht frei von Neid, und wenn diese es nicht vermochten, ja wie denn der Mensch? Für Platon und Aristoteles galt es, den Neid als Unruhestifter ganz klar zu bekämpfen, im Mittelalter stand es auch nicht besser um ihn. Dies setzt sich bis heute fort, wenn Politiker oder Prominente einen Lebensstil pflegen, der uns absurd erscheint, echauffieren wir uns gerne über unrechtmäßig benutzte Flugmeilen oder privat gesponserte Häuser, die schon so manchen zum Abdanken brachten.

Die Psychologie geht mit der Missgunst etwas besser um, denn hier gilt: Jegliches Gefühl, sei es auch noch so verpönt, kann uns weiterhelfen, uns auf etwas in uns selbst hinweisen, dass uns vielleicht noch gar nicht bewusst ist. Beneiden wir eine Freundin um deren Lebensglück, kann es durchaus hilfreich sein, dieses Gefühl anzunehmen und einen kritischen Blick auf unser Lebensmodell zu werfen. Ist die Beziehung wirklich die richtige? Bin ich mit meinem Job zufrieden? Und warum traue ich mich nicht endlich, alleine durch Asien zu reisen? Packen wir diese Dinge an, fühlen wir uns hinterher befreit, glücklich, und komisch....gar nicht mehr neidisch. Wo ist es hin, das Gefühl? Wir brauchen es nicht mehr, da es uns geholfen hat, uns selbst besser zu verstehen. Neid reiht sich also mit in die Reihe nützlicher Gefühle wie Wut, Aggression und Trauer ein, alles Signale unserer Seele, die man ernst nehmen sollte.

Und wer weiß, vielleicht motiviert uns Neid, bei der nächsten Prüfung mit besagter Kommilitonin zusammen zu lernen, und zu erkennen, dass auch sie Schwierigkeiten hat mit dem Prüfungsstoff hat, und die Dinge vielleicht nur besser angeht. Dem Nachbarn ist sein toller Garten vielleicht nicht mehr so wichtig, weil er schon lange Probleme in der Arbeit hat, und die Freundin mit der Vorzeigebeziehung meldet sich überraschend, dass die Beziehung hinüber ist. Es gab einfach keine Probleme, das war das Problem. Und wir können aufatmen, erkennen, dass wir mit ihr fühlen, und auch nicht schadenfroh sind, sondern einfach nur aufhören sollten, uns ständig zu vergleichen. Denn es gibt auch diejenigen, die uns beneiden, um was auch immer.