VON CLEMENS POKORNY | 10.06.2014 15:15

Erfolg durch Emotionale Intelligenz

Erfolgreich in Beziehungen und im Beruf zu sein erfordert sehr viel mehr als die im IQ ausgedrückte analytische Intelligenz. Mitte der 1990er-Jahre propagierte der Psychologe und Journalist Daniel Goleman den Begriff der Emotionalen Kompetenz, der darüber Aufschluss geben soll, wie gut ein Mensch mit seinen eigenen und fremden Gefühlen umgehen kann. Was steckt dahinter?

Erfolg im Beruf nur durch Intelligenz und Ellenbögen? Da ist die Psychologie weiter: Schon längst hat sie nachgewiesen, dass Emotionale Intelligenz – oder: Emotionale Kompetenz – für das Erreichen von Zielen, nicht nur in der Karriere, von entscheidender Bedeutung sind. Doch was ist „Emotionale Intelligenz“ eigentlich genau?

Mit diesem Begriff haben im Jahr 1990 erstmals die US-Amerikaner John D. Mayer und Peter Salovey die Fähigkeit eines Menschen beschrieben, seine Gefühle wahrzunehmen, zu verstehen und gezielt zu modifizieren. Mit dieser Trias steht der Begriff dem Konzept der Kompetenz nahe, das sich aus Wissen, Verstehen und Können zusammensetzt. Emotional intelligente (oder kompetente) Menschen können ihre Gefühle gut wahrnehmen und haben damit die Voraussetzung, sie auch zu regulieren. Zwar kann niemand verhindern, dass ihn Gefühle überkommen, aber schon mit einem bestimmten Mindestmaß an Sozialer Intelligenz können sie im Sinne des Betroffenen beeinflusst werden. Am Arbeitsplatz etwa schadet ein Wutausbruch - aus noch so berechtigtem Anlass - dem Betriebsklima und schlimmstenfalls sogar der Karriere. Negative Emotionen lassen sich zu positiven machen, indem man Ereignisse dadurch umdeutet, dass man sie aus einem anderen Blickwinkel betrachtet („Scherben bringen Glück“, „das Glas ist halbvoll statt halbleer“) – „Reframing“, „Neu-Rahmung“ (des Erlebten) nennen Psychologen das. Positive Gefühle zu kanalisieren, z.B. indem man emotionale Belohnungen aufschiebt, steigert die Motivation und erhöht damit die Wahrscheinlichkeit dafür, dass man mit seinem Handeln erfolgreich ist.

Intelligenz als Spiegel des Umfelds?

Realistische Selbstwahrnehmung bildet auch die Grundlage für eine weitere Fähigkeit unter dem Oberbegriff der Emotionalen Intelligenz, nämlich Empathie, also die Wahrnehmung der Gefühle anderer. Wie empathisch jemand ist, hängt nachweislich stark davon ab, wie empathisch seine Eltern in seiner frühen Kindheit mit ihm selbst umgegangen sind. Wer sich gut in andere hineinversetzen kann und dazu über emotionale Selbstkontrolle verfügt, hat mit dieser „Sozialen Kompetenz“ tendenziell mehr Erfolg im Privat- und Berufsleben als sozial weniger kompetente Menschen. Denn er kann seine Mitmenschen mit seiner Motivation und Begeisterung anstecken, stabile Beziehungen zu ihnen aufbauen, bei Konflikten vermitteln, und eignet sich überhaupt für Führungsaufgaben besonders gut. Das haben auch viele Unternehmen bereits erkannt und ihre Auswahlkriterien für die Besetzung entsprechender Positionen entsprechend angepasst. Wem es an Emotionaler Intelligenz mangelt, kann durchaus an sich arbeiten: Techniken wie das Reframing lassen sich einüben. Man muss also primär bei sich selbst ansetzen, da Emotionale Intelligenz auf der allen Menschen (und etlichen Tieren) gegebenen Fähigkeit zur Perspektivübernahme mittels Spiegelneuronen im Gehirn beruht.

Die Existenz dieser emotional-sozialen Fähigkeit ist also bewiesen, und deren Bedeutung wird ebenfalls nicht ernsthaft bestritten. Kritiker reiben sich indes an der Bezeichnung dieser Kompetenzen als „Intelligenz“ und wollen diese der analytischen Intelligenz vorbehalten, die sich – anders als die emotionale – tatsächlich und wiederholt mit ähnlichen Ergebnissen als „Intelligenzquotient (IQ)“ messen lasse. Doch dieser Vorwurf darf seinerseits in Zweifel gezogen werden: Erstens sind IQ-Tests ihrerseits nicht ganz zuverlässig, weil man die verschiedenen Aufgabentypen, die in ihnen verwendet werden, einüben kann und so das Ergebnis von IQ-Tests verfälscht wird. Zweitens lässt sich auch die Emotionale Intelligenz (als „EQ“) – freilich mit der gleichen Gefahr der Verzerrung – messen, wie ihre Theoretiker argumentieren: Wie gut jemand Emotionen wahrnehmen kann, kann über Tests bestimmt werden, in denen die Probanden Gesichtsausdrücken die richtige Emotion zuordnen müssen. Und die Frage, ob und wie gut jemand mit Gefühlen umgehen kann, lässt sich darüber bestimmen, wie die Testperson ihr Wissen und ihre Fähigkeit in diesem Zusammenhang ausdrücken kann. Aber jenseits dieser theoretischen Fragen ist für uns alle entscheidend, dass wir nötigenfalls unsere Emotionale Intelligenz zu erhöhen in der Lage sind – und damit mehr Erfolg in Beziehungen und im Beruf haben können.