VON CLEMENS POKORNY
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22.11.2016 15:09
Integriertes Lernen: Eine Lösung für überfüllte Unis?
Lernt man in einem Kurs an Uni oder Hochschule sowohl in Präsenzveranstaltungen als auch online, spricht die Didaktik von „Blended Learning“ (Integriertes Lernen). In Zeiten übervoller Hörsäle entlastet diese Lernform die Universitäten. Sie bietet viele Vorteile und vermeidet Nachteile sowohl des realen als auch den virtuellen Lernens. Doch sie ist ziemlich voraussetzungsreich – daran kann sie scheitern.
Wer hat das nicht schon einmal erlebt: Sogar die Gänge des Hörsaals quellen über und im Seminar sitzt man in zweiter oder gar dritter Reihe weit weg von den Tischen. Die Rekordzahlen bei Studierenden aufgrund des „Akademisierungswahns“ (Julian Nida-Rümelin, SPD) in Deutschland bringen aber auch abgesehen vom Platzmangel viel zu große Lern- und Arbeitsgruppen mit sich. Eine Lösung für das Problem heißt Integriertes Lernen, auch Blended Learning genannt.
Die Idee: Ein Teil des Lernprozesses wird aus den Universitätsräumen ausgelagert und findet stattdessen online statt. So werden die Hochschulen entlastet; die Studierenden können selbst entscheiden, wo und meist auch, wann sie lernen möchten. Integriertes Lernen soll die Vorteile des Präsenzunterrichts und des elektronischen Lernens vereinen. Üblicherweise sichert das E-Learning als Nachbereitung die Ergebnisse der Präsenzveranstaltung ab.
Je nach Zielsetzung und weiteren Rahmenbedingungen gibt es allerdings verschiedene Formen des Blended Learning. Man kann sie nach dem Anteil des virtuellen Lernens (aufsteigend) ordnen: „Face-to-Face-Driver“ bezeichnet herkömmlichen Unterricht, in dem Online-Medien direkt eingesetzt und Zusatzaufgaben am Computer fakultativ angeboten werden. Beim Rotationsverfahren wechseln sich Präsenzunterricht und E-Learning nach einem vorab festgelegten Plan ab; während in der realen Lernsituation Theorie behandelt und geklärt wird, die ggf. von den Studierenden selbstständig (z.B. online) vorbereitet wurde, findet online die Lernzielkontrolle in Form von absichernden Kontrollaufgaben statt. Das Flex-Modell erlaubt, wie der Name bereits nahelegt, einen flexiblen Wechsel zwischen beiden Polen: Gelernt wird auf einer Online-Plattform, die Dozentin oder der Dozent steht bei Bedarf etwa für die Beantwortung von Fragen zur Verfügung. In Kursen trifft man sich nur, wenn größere Probleme oder weitreichende Fragen dies erfordern. Das kann – vierte Form des Blended Learning – in einem eigenen Schulungsraum stattfinden (Online-Laboratory). Beim Self-Blend (Eigener Blend) werden ganze Kurse – wenn auch nicht ein ganzer Studiengang – ausschließlich online absolviert. „Online Driver“ oder „Angereichertes virtuelles Modell“ nennt sich schließlich diejenige Form, in der die Präsenzzeiten auf ein unverzichtbares Minimum (z.B. am Anfang und am Ende des Kurses) reduziert sind.
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Bei den üblichen ausgewogenen Mischungen aus Realität und Virtualität liegt
die didaktische Herausforderung für die Kursleitung darin, den Wechsel der Phasen festzulegen bzw. zu koordinieren, verschiedene Sozial- und Arbeitsformen sinnvoll einzusetzen sowie geeignete Methoden für die Anbahnung des Kompetenzerwerbs auszuwählen. Studierende arbeiten flexibler und oftmals konzentrierter, Lehrende lernen neue Arbeits- und Vermittlungsmethoden kennen. Doch das Integrierte Lernen birgt auch Gefahren. Je mehr online gelernt wird, desto mehr drohen die Einzelnen auf sich alleine gestellt zu sein. Viele soziale Interaktionen, die zum Erwerb von Soft Skills unerlässlich sind, entfallen. Nicht wenige Teilnehmende bringen, gerade zu Beginn ihres Studiums, nicht die nötige Selbstdisziplin und Fähigkeit zur sinnvollen Zeiteinteilung mit – beim Blended Learning werden diese Kompetenzen nicht eingeübt. Und die Lehrenden werden mit den umfangreichen Vorarbeiten, die die Online-Lernangebote voraussetzen, leicht überfordert.
So bleibt das Integrierte Lernen ein didaktisches Konzept, das Präsenzlernen mit guter Betreuungsrelation allenfalls ergänzen, aber nicht ersetzen kann.
Auch für Fortbildungen in Firmen lässt es sich einsetzen. Mittelfristig dürfte sich das Problem überfüllter Hörsäle nur lösen lassen, indem entweder die Studierendenzahlen gesenkt oder die Hochschulen in jeder Hinsicht besser ausgestattet werden.
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