Bildung ist eines der Lieblingsthemen der Medien. Nicht zufällig: Bis zu einem gewissen Grad betrifft sie jeden, und die ideologischen Rollen – vom konservativen Disziplin-Anhänger bis hin zur progressiven Alles-Umkremplerin – sind klar verteilt. Aber vor allem glauben viele Menschen, sich mit Schule und Co. auszukennen, schließlich haben sie selbst meist mehrere Bildungseinrichtungen besucht. Das ist in etwa so, als würde ich mich als Filmexperten bezeichnen, nur weil ich jahr(zehnt)elang schon regelmäßig fernsehe und ab und an ins Kino gehe (was wohl auf die meisten Menschen in Deutschland zutrifft).
Doch dass sie normalerweise weder eine theoretische noch eine praktische Ausbildung in Pädagogik genossen haben, hält insbesondere viele Eltern nicht davon ab, sich als „Bildungsexperten“ zu gerieren. Eine Realschullehrerin berichtete kürzlich in der Süddeutschen Zeitung, Eltern hätten ihr die Schuld daran gegeben, dass ihr Kind öfters die Hausaufgaben (!) nicht macht. Ein Elternvertreter forderte gar deren Abschaffung: Hausaufgaben seien Hausfriedensbruch (!). Und in Baden-Württemberg versuchte unlängst eine Mutter, ihr schwer geistig behindertes Kind aufs Gymnasium zu bringen. Dass das an Morbus Down erkrankte und bereits in der Regel-Grundschule überforderte Kind für diese Schulart eventuell nicht geeignet sein könnte, focht sie nicht an: Ihr Sohn solle nicht von seinen Klassenkameraden getrennt werden, und außerdem gebiete eine Konvention der Vereinten Nationen die Inklusion behinderter Kinder (was man auch immer drunter versteht). Journalisten wie zum Beispiel Christian Füller, Studiengebühren-Befürworter und selbsternannter „Pisaversteher“, recherchieren wenigstens meistens sauber, bevor sie sich zum Thema Schule äußern.
Durch die fortschreitende Digitalisierung vieler Lebensbereiche nimmt auch die Schuldebatte wieder an Fahrt auf. Unter dem Schlagwort „Schule der Zukunft“ fordern Publizisten, Hirnforscher und auch einzelne Lehrkräfte die Digitalisierung des Lehrens und Lernens. Im Paket dazu werden meist auch mehr individuelle Förderung, strukturell flexiblerer Unterricht, Ganztagsschulen, kleine Klassen, mehrere Pädagogen pro Lerneinheit sowie eine stärkere Vernetzung der Bildungseinrichtungen untereinander verlangt. Das sind zunächst einmal schon allein finanziell völlig unrealistische Wunschzettel: Solange sich die Wählerinnen und Wähler von Sonntagsreden einlullen lassen, in denen Politiker die Bildung als einzige nennenswerte Ressource unseres Landes priorisieren, dieser Erkenntnis aber keine Taten folgen lassen, werden die Bildungsausgaben auf niedrigem Niveau stagnieren. Damit bleiben Tablets im Klassenzimmer ein (nicht unumstrittenes) Privileg der expandierenden Privatschulen, die erstens paradoxerweise zugleich nicht einmal unbedingt die besseren Lehrkräfte beschäftigen – diese nehmen nämlich eher die sicheren und besser bezahlten verbeamteten Stellen an öffentlichen Schulen – und zweitens das Zwei-Klassen-System in unserer Bildungslandschaft etablieren, wie es vor allem aus den USA hinlänglich bekannt ist. Mehr soziale Ungleichheit, die hierzulande laut OECD ohnehin überdurchschnittlich stark ausgeprägt ist, ist eine direkte Folge der zunehmenden Privatisierung der Bildung.