VON CLEMENS POKORNY
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08.10.2012 13:41
Wie viel ist eine Frau wert?
In Afghanistan und anderen muslimischen Ländern werden traditionell Mädchen gegen Geld zwangsverheiratet. Doch Frauenhandel, insbesondere zum Zweck der Zwangsprostitution, ist viel weiter verbreitet.
Armut und Bildungsferne waren schon immer die Hauptursachen für die Behandlung von Frauen als Waren. Von Frauen- oder Mädchenhandel wird dabei seit etwa 1860 gesprochen, nachdem einerseits die Sklaverei im eigentlichen Sinne abgeschafft worden war und andererseits die Mobilität der Menschen in Europa stetig zunahm. Die wirtschaftliche Notlage vieler Frauen, vor allem aus Ost- und Mitteleuropa, im 19. Jahrhundert auch aus Deutschland, nutzten Menschenhändler skrupellos aus. Sie stammten meist aus dem gleichen Milieu wie ihre Opfer. Oft brachten sie die jungen Frauen, die in Auswanderung ihre einzige Chance auf ein besseres Leben sahen, mit falschen Versprechungen in ihre Gewalt und verkauften sie als Zwangsprostituierte nach Südamerika oder in den Orient.
Töten mit System
Ein Aufruf für die Rechte der Frauen in Indien!
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Heute gehören vor allem Osteuropäerinnen, Thailänderinnen und Afrikanerinnen zu den in Europa gehandelten Frauen. Zum Teil werden sie mithilfe von Täuschung, Ausbeutung und Zwang zu
ungewollten Ehen in den Zielländern gezwungen, häufiger aber zur Zwangsprostitution. Diese ist in weniger als der Hälfte der Staaten weltweit durch internationale Abkommen geächtet. Und selbst wo diese gelten, lässt sich das Geschäft mit der Ware Frau kaum unterbinden: Während in Westeuropa
nach offiziellen Schätzungen etwa eine halbe Million Frauen zur Hurerei gezwungen werden, konnten hierzulande im Jahr 2005 nur 642 Opfer im Rahmen von 317 Gerichtsprozessen identifiziert werden. „Sexsklavinnen“ werden in der Regel massiv eingeschüchtert und unter solchen Druck gesetzt, dass sie sich nicht trauen, gegen ihre Peiniger auszusagen – auch dieser Umstand sorgt für eine enorm hohe Dunkelziffer beim Frauenhandel. Die Frauen leiden in der Folge oft ihr Leben lang an psychischen Erkrankungen.
In vielen islamischen Ländern ist zwar Prostitution verboten, weil die Sunniten die Ansicht vertreten, der Prophet Mohammed habe den (in schiitisch geprägten Ländern als „Genussehe“ tolerierten) käuflichen Geschlechtsverkehr als Unzucht verurteilt. Das
in Religion und Tradition als gegenüber dem Mann minderwertig betrachtete Geschlecht stellt aber für viele Familien einen erheblichen Kostenfaktor dar, weil Frauen keiner Erwerbsarbeit nachgehen (sollen). Daher erhalten sie keine höhere Bildung und werden vor allem in Afghanistan als Minderjährige – bisweilen vor ihrer Geschlechtsreife – an meist deutlich ältere Männer in die Ehe verkauft. „Ich war 50 Schafe wert“, berichtet Sabere, die
im gleichnamigen Dokumentarfilm von Nima Sarvestani beispielhaft für das Schicksal ungezählter Leidensgenossinnen portraitiert wird. Von ihrem Ehemann verprügelt und viermal zur Abtreibung gezwungen, flüchtete die Sechzehnjährige in ein Frauenhaus. Ihr Stiefvater brachte sie später an einen geheimen Ort und half ihr mit einem Trick, ihren Peiniger vor Gericht und zur Einwilligung in die Scheidung zu bringen. Doch trotz dieser Erfahrung sah sich der Analphabet gezwungen, auch seine jüngere Tochter, die elfjährige Farzaneh, in eine Zwangsehe zu verkaufen... Wie viel ist eine Frau wert?