VON JASCHA SCHULZ
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30.03.2015 14:45
Flüchtlinge in Italien - Das profitable Geschäft der Ausbeutung
Zahlreiche Flüchtlinge versuchen den desaströsen sozialen Verhältnissen in ihren Heimatländern zu entfliehen und hoffen in Italien auf ein besseres Leben. Dieses finden sie nur selten. Als illegale Einwanderer werden sie von Plantagenbesitzern ausgebeutet und führen häufig ein menschenunwürdiges Leben.
Die Überfahrt von der nordafrikanischen Küste nach Italien endet für viele Flüchtlinge tödlich. Erst Anfang Februar starben über 300 Menschen bei dem Versuch, auf Schlauchbooten zur Insel Lampedusa zu gelangen. Die Fahrt selbst verläuft häufig unter katastrophalen Bedingungen. Aufgrund des profitablen Geschäfts mit den Flüchtlingen zwängen Schlepper viel mehr Menschen auf die Boote, als diese überhaupt aufnehmen können.
Sollte die risikoreiche und kräftezehrende Überfahrt erfolgreich sein, erwartet die Flüchtlinge in Italien in der Regel keine Aussicht auf ein menschenwürdiges Leben. Ein Großteil erhält mittlerweile zwar einen positiven Erstbescheid. Jedoch sind dies in der Regel Flüchtlinge aus Syrien, die aufgrund des Bürgerkrieges innerhalb ihres Landes nicht abgelehnt werden dürfen. Menschen, die wagen Armut und fehlender Aussicht auf Arbeit auswandern, erhalten einen Ablehnungsbescheid. Sie halten sich anschließend illegal im Land auf und können sich auf diese Weise keine gesicherte Existenz in der neuen Heimat aufbauen.
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Arbeit finden die Flüchtlinge im Süden Italiens vor allem als
Tagelöhner auf Plantagen. Hier werden sie häufig unter sklavenähnlichen Bedingungen beschäftigt. Der Tageslohn wird auf fünf bis fünfzehn Euro geschätzt. Zu einer Unterbringung der Arbeiter sind die Plantagenbesitzer nicht verpflichtet. Die Hälfte der Flüchtlinge lebt deshalb ohne fließendes Wasser, ein gutes Drittel ohne Strom. Nach Berichten der Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ schlafen die illegal Beschäftigten häufig auf Matratzen in Ruinen oder alten Baracken. Soziale Einrichtungen, die eine Unterkunft bieten, dürfen nur von Einwanderern mit offiziellen Papieren in Anspruch genommen werden. Teilweise müssen Geflüchtete aufgrund des fehlenden Schlafplatzes auf dem Feld übernachten und erhalten deshalb Anzeigen der Plantagenbesitzer. Diese können ironischerweise ihren Betrieb nur über illegale Beschäftigungen aufrechterhalten.
Seit mehreren Jahren bieten auch Lagerhallen eine Arbeitsstätte für Geflüchtete. In diesen arbeiten
fast ausschließlich Frauen, die in der Regel einen weiten Arbeitsweg auf sich nehmen. Ihre Tätigkeit besteht aus monotoner Arbeit am Fließband. Der Arbeitstag beginnt meist in den frühen Morgenstunden und endet erst am späten Abend.
Selbst Geflüchtete, die eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten, leben fast ausschließlich unter menschenunwürdigen Bedingungen. Denn auch sie finden meistens nur auf einer Plantage oder in einer Fabrik eine Beschäftigung. Zudem ist der legale Aufenthalt an einen
gültigen Arbeitsvertrag geknüpft. Die Arbeit auf den Plantagen hat somit zur Folge, dass die Flüchtlinge nach der Saison ihre Aufenthaltsgenehmigung nicht verlängern können. Um dem zu entgehen, suchen viele Auswanderer nach der Beendigung ihrer Arbeit eine neue Arbeitsstelle. Dafür nehmen sie häufig weite Reisen in andere Gebiete des Landes auf sich und befinden sich deshalb auf ständiger Wanderschaft.
Um der Armut zu entgehen, geraten viele Auswanderer auf den
Weg in die Kriminalität. Kirchliche Einrichtungen etwa wollen dies verhindern und haben es sich deshalb zum Ziel gesetzt, Flüchtlinge zu begleiten und ihnen eine moralische Stütze zu bieten. Pater Giovanni D‘Andrea vom Sozial- und Flüchtlingszentrum Santa Chiara in Palermo weiß allerdings, wie schwierig dieses Vorhaben ist. Er kann verstehen, dass viele Flüchtlinge nicht bereit sind für 50 Euro die Woche 14 Stunden täglich zu arbeiten, wenn sie beispielsweise durch Drogengeschäfte bis zu 400 Euro die Woche verdienen können.
Die Arbeit der Kirchen reicht deshalb nicht aus, um dem Problem der menschenunwürdigen Ausnutzung von Flüchtlingen zu begegnen. Allein eine Änderung der Flüchtlingspolitik der Europäischen Union könnte den Flüchtlingen vermutlich helfen, aus der
Spirale von Armut, Abhängigkeit und Illegalität auszubrechen. Die
gerechtere Verteilung der Flüchtlinge unter den Mitgliedsstaaten, könnte ein erster Schritt sein. Dies würde einer Auflockerung der Dublin-Verordnung zur Folge haben, die besagt, dass Geflüchtete nur in dem Land Asyl beantragen dürfen, in dem sie das erste Mal europäischen Boden betreten haben. Ein neuer EU-Verteilungsschlüssel, der Wirtschaftskraft und Bevölkerungszahl eines Landes mitberücksichtigt, wird auch von zahlreichen Menschenrechtsorganisationen gefordert.
Eine Erweiterung des Katalogs der Asylgründe, die Armut und Perspektivlosigkeit im Herkunftsland ebenfalls als Aufnahmegrund miteinschließen würde, scheint bei der momentanen
Verschärfung der Grenzüberwachung in europäischen Staaten aber in weiter Ferne zu sein.