VON ANGELA SCHWEIZER
|
07.01.2015 12:53
Pegida und Co. Neue Konstellationen und alte Ideologien: die populistische Propaganda rassistischer Wutbürger
2014 war das Jahr der rassistischen Bürgerbewegungen. Auch in der ersten Woche des neuen Jahres gingen in elf Städten in acht verschiedenen Bundesländern wieder Menschen auf die Straße, um ihren Hass kundzutun. Durch das Vernetzen auf Social Media ergaben sich neue Konstellationen, wie beispielsweise Hooligans, die gemeinsam mit Kleinbürgern gegen angebliche Salafisten demonstrierten, aber das Ende einer Gesellschaft der kulturellen Vielfalt meinten. Bedient werden jedoch die gleichen alten rassistischen Ideologien. Vor allem anti-muslimischer Rassismus dient dabei als Scharnier zwischen Rechtsextremen, Konservativen, Linken und bürgerlichem Mainstream.
Trotz ihres Überraschungserfolges brachten selbst die Hooligans gegen Salafisten, kurz HogeSa, nicht so viele Menschen auf die Straße wie die „Patriotischen Europäer“ der Pegida. Deren Teilnehmerzahlen steigerten sich rasant, vor allem in Dresden, und so skandierten dort Ende Dezember über 17.000 Menschen „Wir sind das Volk“. In ihrer bizarren rassistischen Weltsicht fordern sie Frieden und Freiheit, meinen aber eigentlich die Abschaffung der Demokratie. Laut ihnen steht der Islamismus in Dresden und ganz Europa kurz vor der Machtübernahme.
Ohne Angst verschieden sein
Warum fällt es uns so schwer, andere kulturelle und religiöse Identitäten zu tolerieren und zu akzeptieren?
[...]»
Verschwörungstheorien sind nicht nur Grundbestandteil antisemitischen Denkens, sondern scheinbar neuer Volkssport in Deutschland geworden. Mit den Medien dürfe keiner reden, bestärkt auch der vorbestrafte Wortführer von Pegida,
Lutz Bachmann, „Lügenpresse halt die Fresse“, lautet daher ihr Slogan. Der Begriff der „Lügenpresse“ ist nicht zufällig gewählt: Er entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts und entspringt völkischer, antisemitischer und nationalsozialistischer Ideologie. Dieser
NS-Jargon wurde sowohl von Hitler als auch Goebbels verwendet. Ihr wahres Gesicht zeigten bewaffnete Pegida-Anhänger auch am 22. Dezember, als 50 Personen nach der Demonstration migrantische Jugendliche angriffen und verletzten. Umstehende
Passanten applaudierten währenddessen.
Auf der Suche nach Erklärungen
Woher kommt der Hass? Der Soziologe Oliver Nachtwey sieht in den Bewegungen einen neuen anti-muslimischen Rassismus der Mitte. Dies sei das
Produkt einer nervösen Gesellschaft, in der Aufstieg immer weniger möglich ist und das Gefühl vorherrscht, jeder sei mit jedem im Wettkampf. Die dadurch erzeugten Affekte werden nicht auf das System selbst gelenkt um es im besten Falle zu verändern, sondern auf diejenigen, die in einer Gesellschaft als „Fremde“ wahrgenommen werden, selbst wenn sie schon seit mehreren Generationen Deutschland ihr Zuhause nennen. Andras Zick vom Bielefelder Institut für Konflikt – und Gewaltforschung erkennt eine „
Rückkehr völkischer Ideen“. Dabei bilden Rechtsextreme gemeinsam mit der AfD, mit populistischen Euro-Gegnern, Anti-Islam-Hetzern und demokratiemüden Bürgern eine „radikale Parallelgesellschaft“, und nicht die Einwanderer, denen sie dies unterstellen.
Anti-muslimischer Rassismus war in Deutschland schon vor den abstrusen und doch millionenfach verkauften Thesen Thilo Sarrazins in Politik und Medien salonfähig, hat sich danach jedoch
weiter zugespitzt. Durch den rechtspopulistischen und islamfeindlichen Internetblog
Politically Incorrect klicken sich
täglich 50.000 Deutsche. Auf den europaweiten Ablegern des Blogs erhielt auch der norwegische Massenmörder Breivik Informationen, die seine Weltsicht bestätigten. Er zitiert diese sogar vielfach
in seinem Manifest. Der Vorsitzende des Bundesamt für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, begründete seine Weigerung, den Politically-Incorrect-Blog durch den Verfassungsschutz beobachten zu lassen, mit der Begründung: „
In Deutschland muss man den Islam nicht mögen“.
„Jesus hätte gekotzt, hätte er euch getroffen“
Die Pegida-Bewegung instrumentalisiert die friedliche Revolution der DDR-Bürger. Ehemalige DDR-Bürgerrechtler meldeten sich nun zu Wort und riefen zum Protest gegen Pegida auf. „
Jesus hätte gekotzt“, so ihr Text. „Wir sind das Volk, ruft ihr. Freiheit, Toleranz, weltoffen meinte das ´89. Visafrei bis Hawaii, war die Devise. Und: die Mauer muss weg. Ihr aber wollt: Visafrei nur für uns. Die Mauer muss weg nur für uns. Die Mauer muss her am Mittelmeer – 25 Jahre nach dem Mauerfall“.
Die Antwort auf Pegida und alle anderen Abkürzungswütigen kann nur mehr Demokratie und mehr Zivilgesellschaft sein. Nur wenn sich die demokratische Mehrheit in ihren demokratischen Werten sicher ist und
sich positioniert, ziehen sich Rechtsextreme und Rechtspopulisten zurück.