VON SUSANNE BREM | 24.09.2016 11:57

„Diese Haare!“ – Medienbilder von Frauen neben Männern in der Politik

Als Angela Merkel 2005 zur Bundespräsidentin gewählt wurde, war in den Zeitungen vieles zu lesen, vor allem aber auch: Kommentare zu ihrem Aussehen, ihrer Frisur, ihren Falten und ihrem Make-Up. Der Spiegel titulierte sogar, Merkel sei zur Kanzlerkandidatin „gekürt“ worden und malte damit die Parallele zu Schönheitswettbewerben, in denen klischeemäßig eine hübsche Optik Vorrang vor beruflicher Kompetenz hat. Das Abdrängen der politisch aktiven Frau in die Sphäre der Schönheit hat medial eine lange Geschichte. Wie ist die Berichterstattung heute? Und wo steht der männliche Politiker dabei?


„Politik ist nach wie vor ein Männergeschäft!“ sagt Prof. Dr. Christina Holtz-Bacha auf der Gendermatters-Tagung 2012. Das optische Erscheinungsbild und stereotype Rollenbilder sind immer wieder Thema, wenn in den Medien über Frauen in Machtpositionen berichtet wird. Auch das familiäre Umfeld wird etwa für Ursula von der Leyen mit ihren sieben Kindern immer wieder angesprochen, sie selbst als „Mutter der Nation“ stilisiert. Die Frage an Sigmar Gabriel, wer gerade das Kind betreue, da er selbst ja im Moment beschäftigt sei, mutet dagegen schon in Gedanken ungewöhnlich an. Politikerinnen werden schon seit Jahrzehnten konstant mit traditionellen Rollenbildern verknüpft und auf ihre Funktion als Mutter hin betrachtet. Machtstreben, Ehrgeiz und Dominanz sind Eigenschaften, die die Medien für weibliche Politiker lange ignoriert haben; noch heute sorgt das Aufeinandertreffen von Weiblichkeit und Durchsetzungsfähigkeit in der Politik für Irritation, manchen scheint es gar unvereinbar: Stets wird auf Geschlechterverhältnisse, auf eine „Vermännlichung“ angespielt, wenn eine Politikerin dominant auftritt.

Vor der Jahrtausendwende: Frauen marginalisiert in der Politik

In den 50er und 60er Jahren wurde die Frau als Politikerin von Zeitungen kaum beachtet. Sie sahen in ihr vor allem ihre Pflicht zur Ehefrau und Mutter, Politik sollte nicht ihr Terrain sein. Politiker wie Medien waren eher verwirrt von Weiblichkeit im Kollegenkreis; Frauen wurden daher mit Ignoranz behandelt, an den Rand gedrängt und höchstens für ihr hübsches Aussehen beachtet, das feminin und zart zu sein hatte. Die 70er brachten erste Veränderungen mit sich: Zwar wurde die Frau in den Medien noch immer nicht gerne für ihre politische Arbeit beachtet; trotzdem kamen hohe Qualifikation, Ehrgeiz und Fleiß ab und an auf, wenn auch nur in gleichzeitiger Absprache der Mütterlichkeit. Macht und Weiblichkeit – anscheinend ein Widerspruch. Davon setzten sich nur Berichte von Journalistinnen ab. Sie schrieben positiver, wertschätzender, weniger hämisch und aufs Äußere bezogen.

In den 80ern sind die Frauen stärker auf dem Vormarsch. Der Frauenanteil im Bundestag wächst von 8,5 auf 20,5 Prozent an, die Politikerinnen weisen vielseitigere Qualifikationen vor (z. B. naturwissenschaftlich, juristisch), das traditionelle Bild der „guten Mutter“ beginnt langsam in den Hintergrund zu geraten. Auch hier zeichnen sich dennoch Irritation und Zwiespältigkeit ab, wenn es um den Umgang von starken Frauen in der Politik geht, die auch noch feministisch auftreten: Zwischen Lob für ihre Fähigkeiten und ihren Sachverstand einerseits und Spott und Banalisierungen andererseits zeigen die Medien nur eine symbolische Akzeptanz für Politikerinnen. Noch immer werden ein scharfer Verstand und Karriere einer Weiblichkeit kontrastiv und sich ausschließend gegenüber gestellt, gar als Bedingung setzt: Die Stuttgarter Zeitung schreibt 1981 über Frauen, die in der Politik Karriere machen, gerade weil sie nicht als Frauen auftreten, sondern „jedem Manne vergleichbar“ sind. Frau, Mutter, Politikerin – in dieser Kombination noch immer nicht denkbar.

Medienmacht und Mehrheiten

Besserer Stand von Politikerinnen in den 90ern und die „Merkelwende“

Die 90er Jahre bringen differenzierteren Politikjournalismus hervor. Es ist die Zeit der Frauenministerien, der Gleichstellungsbemühungen für Mann und Frau. Wenn auch Frauen noch immer Ziel von Häme und Besserwisserei sind: Stereotype werden zunehmend weniger, zumindest weniger offensichtlich, reproduziert, Erfolge und sachliche Kompetenzen von Politikerinnen finden mehr Beachtung. Erst in den 2000ern rückt mit der Kanzlerkandidatur Angela Merkels eine Frau in die ersten Reihen der männerdominierten Politik vor. Merkel sah sich lange einer herablassenden und antifeministischen Berichterstattung ausgesetzt: ihr Haarschnitt, ihre Mundwinkel und Falten, ihre farbenfrohen Blazer. Erst mit der Zeit fand die Presse, vor allem Journalistinnen, den Weg zu mehr Sachlichkeit bis hin zu Anerkennung für ihre Fachkompetenz.

Wenn auch Politikerinnen medial weniger an den Rand gedrängt und trivialisiert werden als früher: Völlig frei von Stereotypie und Rollenklischees ist die Presse noch immer nicht. Noch immer wird über den Sex-Appeal von Politikerinnen gesprochen, über ihren Kleidungsstil, ihr Gewicht. Holtz-Bacha sieht dies als Wechselspiel mit Anteil der Politikerinnen: Sie inszenieren sich, möchten ihr Bild in der Bevölkerung prägen; sie tun es nicht mehr als ihre männlichen Kollegen auch. Gleichzeitig steht es in einem stärkeren Fokus und nicht unter ihrer Kontrolle, was die Medien daraus machen. Aber: Es geht auch umgekehrt. Vor der Frisurenthematik etwa ist Donald Trump ebenso wenig gefeit – regelmäßig ist sie für seine Gegner Mittel zum Zweck, um ihn der Lächerlichkeit preiszugeben und zu verhöhnen.

Bild: "Merkel&Hollande debate Plenary" von European Union 2015 - European Parliament via Flickr.com. Von UNI.DE zugeschnitten und mit ©-Hinweis versehen.
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