VON CHARLOTTE MEYER | 23.10.2015 15:01

Eine besonders grausame Form männlicher Gewalt – Säureanschläge

Es ist befremdlich, in die Gesichter der Opfer zu sehen. Sie sind entstellt, teilweise blind und für den Rest ihres Lebens gezeichnet. Säureanschläge vor allem auf Frauen und Kinder sind weltweit verbreitet und beschränken sich nicht auf eine bestimmte Ethnie oder Religion. Die Motive für solche Taten sind meist situationsbedingt und schädigen doch die Opfer ein Leben lang. UNI.DE berichtet über dieses erschreckende Thema.




Anschläge heimtückisch und fatal für die Opfer

Frauen und Kinder sind in der Regel die Opfer und die Täter meist Männer aus dem näheren Umfeld. Und das, weil ein Mädchen sich wehrt gegen Gewalt oder Zwangsheirat oder weil es ein eigenständiges Leben führen möchte. In Bangladesch etwa passieren solche Fälle beinahe jeden zweiten Tag. Die Gründe: verletzter Stolz oder Streit um Land oder Mitgift. Meist geschehen solche Anschläge nachts wenn die Betroffenen schlafen und die Täter nicht gesehen werden. Wenn Frauen mit der Säure verletzt werden, bleiben dabei teils auch Kinder, die bei ihnen schlafen, nicht verschont. Der Schmerz, der den Opfern zugefügt wird, ereignet sich dabei nicht nur während des Anschlags selbst, sondern bleibt ein Leben lang als äußere Entstellung und als Beeinträchtigung des Selbstvertrauens zurück. Oftmals schämt man sich für die Opfer und versteckt sie und grenzt sie aus. Diese erleiden dadurch starke Isolation, sind von ihren Freunden und der Familie getrennt und verlieren ihre Fähigkeit, ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

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Motive und Kontexte unterschiedlich

Säureattacken sind indes nicht nur in Bangladesch verbreitet, sondern in ganz Südasien und darüber hinaus weltweit. Sie sind nicht mit einer bestimmten Ethnie, Religion oder geographischer Verortung verbunden, sondern passieren in vielen Ländern Südostasiens, Zentralafrikas der Westindischen Inseln und des Nahen Ostens. Darüber hinaus gibt es Einzelberichte aus anderen Teilen der Welt.

Diese Attacken stellen eine versteckte Form von Gewalt gegen Frauen und Kinder dar, die in der Regel folgenlos für die Täter bleibt. Die Gründe für diese Taten sind vielfältig und die Anschlagsmuster unterscheiden sich von Land zu Land. In dem preisgekrönten Dokumentarfilm „Saving Face“ etwa berichten Opfer von Ehemännern, die die Säure benutzten, um ihre Frauen loszuwerden, von verletzten Gefühlen zurückgewiesener Männer und von nicht erfüllten Heiratsanträgen als Motive für die Anschläge. Die Angriffe sind vor allem wegen der leichten Verfügbarkeit von Schwefel- oder Salpetersäure für die Baumwoll- und Gummiverarbeitung zahlenmäßig so hoch. Die Säure, die meistens von den Angreifern auf den Kopf oder ins Gesicht gespritzt wird, lässt viele Opfer erblinden und alltägliche Aufgaben oder Mutterschaft werden so schwierig bis unmöglich. In den ärmsten Ländern, in denen Frauen vom Einkommen des Mannes abhängig sind, haben Überlebende geringe Chancen auf eine weitere Heirat und sind zu extremer Armut verurteilt.

NGOs engagieren sich und sind erfolgreich

Die Verfolgung der Täter hat sich in Bangladesch mittlerweile zum Positiven geändert. Tätern von Säureattacken drohen drastische Strafen und auch die klinische Versorgung von Opfern hat sich merklich verbessert. Vor allem das Engagement von Organisationen wie UNICEF oder der Acid Survivors Foundation (ASF) hat hier einen Beitrag geleistet und ermöglicht, dass immer mehr Frauen und Kinder durch medizinische Maßnahmen wieder ins Leben zurückkommen können. Hierbei hat größtenteils der Aufbau von Hilfszentren durch die ASF Abhilfe geschaffen, in denen psychologische und medizinische Unterstützung angeboten wird. Bangladesch ist dabei ein Vorzeigeland im Kampf gegen Säureattacken: Hier waren die Zahlen von 496 Opfern 2002 auf 100 im Jahr 2011 gefallen, nachdem 2002 eine spezielle rechtliche Regelung für Säureopfer ins Leben gerufen wurde. Dennoch werden von den Partnerorganisationen des Acid Survivors Trust International (ASTI) noch immer 1000 Patienten pro Jahr behandelt, offizielle Opferzahlen gibt es keine. Regelungen wie in Bangladesch wurden von Kambodscha 2012 und von Pakistan 2011 verabschiedet. Man kann nur hoffen, dass die Bestimmungen hier ebenso erfolgreich sind wie in Bangladesch und dass diese grausame Art von Gewalt nicht weiter ungestraft bleibt.