VON MAXIMILIAN REICHLIN | 03.02.2016 14:38

Krieg, warum nicht? Über die Bundeswehreinsätze in Syrien, Mali und dem Irak

Vor wenigen Tagen beschloss der Deutsche Bundestag eine deutliche Ausweitung der Bundeswehreinsätze in Mali und dem Irak um den Kampf gegen die Terrororganisation Daesh zu unterstützen. Erst im vergangenen Dezember wurde auch der Einsatz deutscher Tornado-Kampfflugzeuge in Syrien beschlossen. Damit beteiligt sich die Bundeswehr Anfang 2016 an drei weiteren Fronten in diesem Krieg. Linke Politiker bestreiten weiterhin die Wirksamkeit solcher Einsätze im Kampf gegen den Terror. Eine bessere Strategie sei eine politische Auseinandersetzung sowie der Stopp von Waffenlieferung in die Krisenregionen. Leider halte sich die Bundesregierung mit solch wirksamen Methoden zur Bekämpfung von Daesh noch zurück. UNI.DE berichtet.


Der Bundestag beschließt Ausweitungen von Bundeswehreinsätzen

Erst Ende Januar hat der Bundestag mit großer Mehrheit beschlossen, die Bundeswehreinsätze in Nordmali und im Irak erheblich auszuweiten. So sollen, statt wie bisher nur zwölf, rund 400 deutsche Soldaten an der UN-Mission in Nordmali teilnehmen. Im Irak unterstützt die Bundeswehr die kurdische Peschmerga-Armee weiterhin mit Waffen und Ausbildung. Die Zahl der im Ausland stationierten Bundeswehrkräfte wird dadurch auf rund 3.500 erhöht. Erst im vergangenen Dezember hatte der Bundestag beschlossen, 1.200 Soldatinnen und Soldaten sowie mehrere Tornado-Kampfflugzeuge nach Syrien zu schicken. Das langfristige Ziel all dieser Einsätze ist klar: Die Bekämpfung und Vernichtung der Terrororganisation Daesh, auch bekannt als IS oder Islamischer Staat.

Von einer aktiven Beteiligung an den Kämpfen sieht Deutschland aktuell allerdings noch ab. Von einem „Krieg“, wie aktuell 55 Prozent der Deutschen den Syrien-Einsatz nennen, könne nicht die Rede sein. Die Tornados sollen lediglich zur Aufklärung im Krisengebiet genutzt werden, außerdem stellt die Bundeswehr Kräfte zur Luftbetankung und zum Schutz eines französischen Flugzeugträgers zur Verfügung. Auch die Unterstützung syrischer Regierungstruppen ist nicht geplant. Mit dem Regime des syrischen Machthabers Baschar al-Assad solle die Bundeswehr, so die Erklärung der Bundesregierung, nicht zusammen arbeiten. Der Kampf von demokratisch-motivierten Oppositionstruppen gegen das Assad-Regime hatte 2011 den Ausschlag für die aktuellen Konflikte in Syrien gegeben.

Pro Krieg: Solidarität mit Frankreich

Anlass für die Ausweitung der Bundeswehreinsätze dürften die islamistischen Anschläge am 13. November in Paris gewesen sein. Im Eilverfahren war nach den Anschlägen der Beschluss zum Bundeswehreinsatz in Syrien durchgesetzt worden. Die schnelle Reaktion und den Beschluss im Rekordtempo rechtfertigte man im Bundestag mit Hinweis auf die Beistandsklausel der Europäischen Union. Man wolle und müsse sich mit Frankreich in dieser Zeit solidarisch zeigen, so zum Beispiel Rainer Arnold, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag. Nicht zuletzt auch aus Selbstschutz: „Der Anschlag in dem Pariser Stadion war auch ein gezielter Anschlag gegen uns Deutsche. Wir müssen mit dazu beitragen, dass die Terroristen zurückgedrängt werden.“

Contra Krieg: Gewaltspirale wird angekurbelt – Alternative Lösungen sind nötig

Andere politische Stimmen werfen der Bundesregierung indes übereiltes und unüberlegtes Vorgehen vor. Ein Bundeswehreinsatz in Syrien könne nicht die Lösung der Konflikte bringen, so Grünen-Sprecherin Agnieszka Brugger in der taz. Dafür gebe es in der Geschichte unzählige Beispiele, allen voran die Militärinterventionen in Lybien, im Irak oder in Afghanistan. In jedem dieser Fälle habe die militärische Begegnung des Konflikts im Nachhinein nur größere Ausschreitungen von Gewalt zur Folge gehabt, die nun schlussendlich in der Bedrohung durch Daesh mündeten. Der Krieg gegen Daesh könne deshalb nicht mithilfe der Bundeswehr, sondern höchstens politisch gewonnen werden.

Mit dieser Meinung schließt sich die junge Politikerin der Argumentation der deutschen LINKEN an, die im Dezember geschlossen gegen den Bundeswehreinsatz gestimmt hatte. Die Partei schlägt alternative Lösungsansätze vor: Das Aufspüren und Einfrieren internationaler Konten des Daesh, das Stoppen des Handels mit Erdöl, durch den sich Daesh maßgeblich finanziert, sowie die Schließung der türkisch-syrischen Grenze, um dadurch Nachschub-Lieferungen und neuen Rekruten den Weg nach Syrien zu blockieren. Letztere stammen vermehrt auch aus Europa, vor allem aus Frankreich, Deutschland, Großbritannien und Schweden. Der US-Geheimdienst CIA schätzte 2014, dass rund die Hälfte der Daesh-Kämpfer aus Drittstaaten stammte, wobei die europäischen Rekruten hauptsächlich über die Türkei nach Syrien einreisten.

Die politische Lage im Syrien-Konflikt ist unklar: Wer ist Freund, wer ist Feind?

Eine objektive Einschätzung der Lage in Syrien und in den weiteren Kriegsgebieten gestaltet sich, aufgrund der großen Anzahl an Akteuren, als schwierig. Alleine die Bündnisse und Allianzen, die Deutschland aktuell zu einzelnen involvierten Gruppen und Staaten unterhält, sind unübersichtlich. So gehört die Bundesrepublik der US-geführten Kernkoalition gegen die Terrororganisation Daesh an, an der sich über 60 Staaten beteiligen, die untereinander gleichzeitig interne Konflikte ausfechten, wie etwa die Türkei und Russland. Die Türkei schlägt sich seit dem vergangenen Sommer mit kurdischen Aufständischen im eigenen Land und führt auch Luftangriffe gegen kurdische Truppen in Syrien durch. Andere kurdische Verbände, wie die Peschmerga in Syrien und dem Nordirak, werden von der Bundeswehr aktiv mit Waffenlieferungen unterstützt.

Der Tod ist ein Master aus Deutschland

Deutsche Waffenlieferungen gehen auch an Katar und das monarchistische Regime in Saudi Arabien. Beide Staaten stehen in dem Ruf, erhebliche Menschenrechtsverletzungen zu begehen und selbst indirekt terroristische Vereinigungen wie Daesh zu unterstützen. Durch die deutsche Koalition mit Frankreich unterstützt die Bundesrepublik außerdem indirekt das Assad-Regime. Ursprünglich stand Deutschland eigentlich auf der Seite der Anti-Assad-Truppen und hatte die Rebellen 2012 in einem gewissen Maße auch militärisch unterstützt. So werden ehemalige Gegner im Kampf gegen Daesh zu wertvollen Verbündeten.

Pragmatismus vs. Ideologie: Wie sollen wir Daesh begegnen?

„Genau so funktioniert internationale Politik“ sagt Militärhistoriker Sönke Neitzel und vergleicht die Situation mit dem Bündnis der Alliierten mit der Sowjet-Union während des zweiten Weltkrieges. „Innerhalb von vier Jahren hat man da dreimal den Allianzpartner gewechselt. Wir müssen pragmatisch reagieren, sonst erreichen wir überhaupt nichts.“ Damit gemeint ist: Assad, den ursprünglichen ideologischen Feind des demokratischen Europa, und das saudische Königshaus als geringeres Übel zu akzeptieren, um in der Koalition den gemeinsamen Feind aller zu stoppen: Daesh.

Die LINKE-Abgeordnete Sahra Wagenknecht sieht das anders. Sie hält die deutschen Bündnisse mit Katar, Saudi Arabien und der Türkei für gewichtige Ursachen dafür, dass Daesh in Syrien noch nicht gestoppt werden konnte. In einer Rede vor dem deutschen Bundestag plädierte sie im vergangenen Dezember dafür, gegen den Einsatz der Bundeswehr in Syrien zu stimmen und einen anderen Kurs einzuschlagen. Deutschland müsse erstens aufhören, Waffen an Staaten zu verkaufen, die Daesh indirekt unterstützen, zweitens Druck auf die Türkei ausüben, die Grenze nach Syrien zu schließen. Die Reaktion der übrigen Abgeordneten: Geringschätzung und Anfeindungen. Bleibt abzuwarten, welche Folgen dieser Umgang mit dem Terror in Syrien noch bringen wird.