VON NORA GRAF | 10.02.2016 16:53

Gewalt in der Pflege. Ursachen, Auslöser und Prävention

Jeder weiß mittlerweile, dass das Pflegen älterer Menschen nicht nur körperlich, sondern vor allem psychisch belastend sein kann. Dass dabei jedoch oft Gewalt angewandt wird, ist immer noch nicht hinreichend in der Öffentlichkeit angekommen, zumindest nicht in dem Maße, wie etwa die Gewalt an Frauen oder Kindern. Da Aufklärung bekanntlich der erste Weg zur Besserung ist, hat sich das Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) diesem Problem angenommen und ein umfassendes Informationsportal zur Gewaltprävention in der Pflege erstellt.


Gerade ältere und ganz besonders pflegebedürftige Menschen sind gefährdet, Gewalt zu erfahren. Das liegt zum einen daran, dass sie von der Pflege abhängig sind und die Hilfe benötigen. Und zum anderen daran, dass ältere Menschen etwa aufgrund einer Demenzerkrankung oftmals nicht die Möglichkeit haben, die Gewalt, die ihnen widerfahren ist, kund zu tun. Überdies findet die Gewalt meist in einem privaten Raum statt, so dass ein Eingreifen von außen ziemlich schwierig ist.

Was ist Gewalt in der Pflege?

Gewalt kann viele Formen annehmen. Es gibt zum Beispiel die körperliche, psychische und finanzielle Gewalt oder auch die strukturelle Gewalt in Form von Diskriminierung. Die Definition von Gewalt hängt auch von dem persönlichen Empfinden ab, was für jeden einzelnen eine Grenzüberschreitung darstellt und was nicht. Und das wiederum hängt auch von dem kulturellen, historischen und sozialen Kontext einer Person ab. Erst im Jahr 2000 wurde die sogenannte Körperstrafe an Kindern im Bürgerlichen Gesetzbuch ersatzlos gestrichen, seitdem haben Kinder das ausdrückliche „Recht auf gewaltfreie Erziehung“.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Gewalt gegenüber älteren Menschen so: „Unter Gewalt gegen ältere Menschen versteht man eine einmalige oder wiederholte Handlung oder das Unterlassen einer angemessenen Reaktion im Rahmen einer Vertrauensbeziehung, wodurch einer älteren Person Schaden oder Leid zugefügt wird.“

An der Definition erkennt man, dass Gewalt in der Pflege sehr differenziert betrachtet werden muss. Zum einen ist auch die Unterlassung bereits Gewalt und zum anderen spielt das bestehende Vertrauensverhältnis eine zentrale Rolle. Sie beinhaltet nicht nur übergriffiges Verhalten gegen Pflegebedürftige sondern auch gegen Pflegende. Formen von Gewalt in der Pflege sind zum Beispiel unmittelbare körperliche Gewalt, Medikamentenmissbrauch, sexueller Missbrauch, psychische Gewalt, finanzielle Ausbeutung und nicht zuletzt Vernachlässigung.

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Ursachen und Auslöser

Die Gründe für gewalttätiges Verhalten sind so unterschiedlich wie deren Formen. Meist haben solche Vorkommnisse jedoch eine längere Vorgeschichte, bei der viele ungünstige Faktoren zusammen kommen, damit ein Mensch am Ende gewalttätig wird. Sowohl in der häuslichen als auch professionellen Pflege liegen die Ursachen meist in Überforderung und emotionalen Konflikten, wie etwa finanzielle oder gesundheitliche Probleme der Pflegekraft oder aber eine angespannte Teamsituation am Arbeitsplatz. Auch die jeweilige Beziehung der zwei Personen ist von großer Bedeutung.

Das Risiko, gewalttätig zu werden, steigt zudem, wenn die Pflegekräfte selbst häufig Übergriffen durch Pflegebedürftige ausgesetzt sind, ein hohes Arbeitspensum und Alkohol im Spiel sind oder wenn die vom Pflegedienst erbrachten Leistungen als qualitativ kritisch betrachtet werden. Schreit ein Demenzkranker dann beispielsweise oder verweigert das Essen, kann das der Auslöser für verbale oder sogar körperliche Gewalt sein. Ähnliches gilt auch für gewalttätige Pflegebedürftige: Fühlt man sich als Mensch fremd bestimmt, ist in einer ungewohnten Umgebung und wird dann noch an das Bett gefesselt, so kann dies dazu führen, dass ältere Menschen aggressiv werden.

Diese Beispiele machen recht deutlich, wie schwierig es ist, Gewalt in der Pflege zu erkennen, vor allem dann, wenn es sich um Vernachlässigung oder Misshandlung handelt. Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass nicht nur die Überlastung der Pflegekraft eine Rolle spielt, sondern auch eine Erkrankung (wie etwa Demenz) des Bedürftigen oder fehlende Angehörige, wodurch eine Intervention umso schwieriger wird.

Gewaltprävention

All das macht es sehr kompliziert, adäquate Gewaltpräventionsstrategien zu entwickeln. Auf nationaler sowie internationaler Ebene ist die Studienlage äußerst ernüchternd. In Deutschland gibt es zwar zahlreiche Projekte und Initiativen zur Gewaltprävention, es können im Moment jedoch kaum zuverlässige Rückschlüsse auf deren Wirksamkeit, Sicherheit und Nachhaltigkeit gezogen werden. Einen guten Überblick und eine Vielzahl an Strategien für Pflegende, Angehörige und Betroffene stellt jedoch der Themenreport „Gewaltprävention in der Pflege“ der Stiftung „Zentrum für Qualität in der Pflege“ zur Verfügung.