VON CHARLOTTE MEYER | 31.01.2016 18:06

Gemeinsam mit Gewalttätigen Opferzahlen senken – Anti-Aggressivitäts-Training

Das Recht des Stärkeren ist noch immer weit verbreitet. Für manche ist es eine Sache von Überlegenheit und Stärke, zuzuschlagen. Sich mit den eigenen Fäusten wehren zu können. Doch ist Aggressivität ein Anzeichen von Schwäche und von der Unfähigkeit, mit Konflikten souverän umzugehen – laut vielen Anti-Aggressivitätstrainerinnen und –trainern. Wozu es Anti-Aggressivitäts-Trainings gibt und was man dort so macht, berichtet UNI.DE.



Häusliche Gewalt bei 25 Prozent

Vor zwei Jahren sorgte in den USA die sogenannte Ray-Rice-Affäre für Aufsehen. Ray Rice war damals für unbegrenzte Zeit von der National Football League gesperrt worden, weil er seine Frau wiederholt zusammengeschlagen hatte. Auf Twitter löste die Angelegenheit durch die Hashtags #WhyIStayed und #WhyILeft vor allem Diskussionen um Rices Ehefrau aus, die ihn trotz seiner Schläge nicht verließ. Häusliche Gewalt ist nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland ein Problem. Laut des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erleben rund 25 Prozent der in Deutschland lebenden Frauen Gewalt durch aktuelle oder frühere Partner.

Tu dir mal was Gutes!

Mit den Gewalttätigen für die Opfer

Gewalt zerstört Leben… Täterarbeit ist Opferschutz“ ist ein Hilfsprojekt des Berliner Zentrums für Gewaltprävention e.V. (BZfG). Dieses Spendenprojekt gibt es seit knapp zwei Jahren und hier wird versucht, Opfer zu schützen, indem mit Tätern gearbeitet wird. Das BZfG bietet hierfür Beratung und Trainings an, denn die allerwenigsten schaffen es aus eigener Kraft, von der Gewalt zu lassen. Das Ziel: gewaltfreie Lebensperspektiven entwickeln, gewalttätiges Verhalten nachhaltig beenden. Das Programm des BZfG richtet sich aber nicht nur an Männer, sondern auch an Frauen, die zu Gewalt neigen. Gearbeitet wird allerdings mit den Täterinnen und Tätern an den gleichen zentralen Hintergründen für ihre Gewalt: am Mangel an sozialer Kompetenz und Ich-Stärke und auch an traditionell männlichen Weltanschauungen. Aggressives Verhalten kommt oft daher, dass der oder die Betroffene mit Konflikten nicht richtig umgehen und sich gegen Kränkungen nicht schützen kann. Es kann aber auch mit Erniedrigungen und Gewaltvorkommen in der Familie zusammenhängen. Täterinnen und Tätern folgen so oft der Logik, dass Friedfertigkeit Schwäche und Feigheit bedeutet und Aggressivität Überlegenheit und Respekt. Antigewalttrainings sollen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern vermitteln, dass Friedfertigkeit mit Souveränität zusammenhängt.

Mit Rechtfertigungsstrategien konfrontiert

Die Teilnahme an solchen Kursen kann freiwillig oder auch gerichtlich verordnet sein. Die Teilnehmenden erwartet oft die Konfrontation mit (simuliertem) aggressivem Verhalten oder die Vermittlung der Opferperspektive. Auch eigene Rechtfertigungsstrategien sollen aufgedeckt werden. Für Heiko, 23, ist genau die Auseinandersetzung mit solchen Strategien zum springenden Punkt geworden. Er war wegen mehrfacher Körperverletzung verurteilt worden und musste ein Anti-Gewalt-Training absolvieren. In einer Sitzung hatte er einen Zettel mit Legitimationsstrategien in der Hand. Darauf stand: „Der hat mich angerempelt“ oder „Der hat so blöd geguckt“. Für ihn war es, als ob ihm ein Spiegel vorgehalten werde. Der Leiter des KO-Instituts für Konfliktkompetenz und Opferempathie, Michael Mohr, bereitet solche Übungen vor. Viele Täterinnen und Täter rechtfertigten ihre Gewalt durch Aussagen wie diese. „Es reicht manchmal schon, wenn sie merken, dass ihr Gegenüber eine glücklichere Kindheit hatte“, sagt er. Auch nach Ende von Anti-Gewaltkursen bleibt er mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern in Kontakt, um sie weiter zu unterstützen. Einige wenige werden wieder straffällig, manche werden vielleicht nur nicht erwischt, aber die meisten behalten eine saubere Weste.