VON CLEMENS POKORNY
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08.02.2016 14:11
Gewalttätig durch Games und Medien?
Der alte Platon hatte Recht: Medien können auf ihre Konsumenten einen schlechten Einfluss ausüben. In seinem Idealstaat wollte er all diejenigen Künste verboten sehen, deren Inhalte vor allem für Heranwachsende kein gutes Vorbild abgeben. So weit gehen die meisten Kritiker von Ego-Shootern heute nicht. Unreflektierte Gewaltdarstellungen können zwar schädlich sein – sie sind aber eher ein Indikator für tiefer liegende Probleme.
Nach Amokläufen oder besonders brutalen Schlägereien kehrt sie zuverlässig in die Massenmedien zurück: die Diskussion um einen schlechten Einfluss von Gewalt in Filmen und Computerspielen auf das Verhalten Heranwachsender. Gamer weisen diese Vorstellung naturgemäß zurück. Andere sehen in Counter-Strike, Halflife oder Killzone die Wurzel des Übels. Beide Positionen hat die Wissenschaft mittlerweile widerlegt. Dass aber Gewaltdarstellungen in Medien deren Nutzer negativ beeinflussen, steht ebenso fest.
Gewalt kommt in unseren Medien wie selbstverständlich vor: Fast 90% der 850 zwischen 1950 und 2005 in Deutschland am meisten verkauften Filme thematisieren sie in irgendeiner Form. 30% der Fernsehfilme und Videospiele verbinden Aggression mit Humor, und zwischen 1993 und 2005 nahmen die Gewaltinhalte in ab 13 Jahren freigegebenen Filmen zu. Jugendliche setzen sich fiktionaler Gewalt in hohem Maße aus, denn die 12- bis 19-Jährigen sehen im Durchschnitt zwei Stunden täglich fern und spielen mehr als eine Stunde pro Tag Computer.
Anders als häufig unterstellt führt dieser Konsum allerdings nicht zu Abstumpfung gegenüber Darstellungen von Brutalität. Die Nutzer gewöhnen sich an fiktionale Gewalt, sodass diese sie unter Umständen erregen kann (hauptsächlich im nicht-erotischen Sinne). Wie kommt es aber dazu, dass Medienkonsumenten sich überhaupt von fiktionalen Welten beeinflussen lassen? Nicht wenige Gamer leugnen ja solche Auswirkungen. Doch sie gehören schon alleine dadurch, dass sie sich in die Diskussion einbringen, zu denen, die sich Gedanken über ihre Freizeitgestaltung machen. Und damit wiederum zeigen sie, dass sie in der Lage sind, zwischen Fiktion und Wirklichkeit zu unterscheiden.
Doch dies können längst nicht alle. Die Medienwirkungsforschung hat nachgewiesen, dass Medien mit Gewaltdarstellungen zur Gewalt stimulieren können, dass sie mitunter suggerieren, das gezeigte Verhalten sei sozial zulässig oder nachahmenswert, und dass Computerspiele und Filme brutalen Inhalts Modelle liefern, an denen ihre Nutzer neue Verhaltensweisen lernen. Für diese Effekte gilt aber: Nur, wer ohnehin zu aggressivem Verhalten neigt, dessen Verhalten wird durch entsprechende Computerspiele und Filme tatsächlich verstärkt. Zum Glück hält die Wirkung dieser Medien allerdings nicht lange an.
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Darüber hinaus deuten alle Beobachtungen darauf hin, dass die Nutzung gewaltreicher Filme oder Computerspiele
nicht Ursache, sondern Wirkung ist. Wer in höherem Maße mit solcherlei Medien konfrontiert ist, kommt meist aus einem schwierigen Umfeld von Vernachlässigung und sozialer Isolation. Dort fehlt den Eltern zuweilen das Bewusstsein für ihre Verantwortung für den Medienkonsum ihrer Kinder, und schwierige soziale und finanzielle Bedingungen begünstigen vergleichsweise häufig heftige Konflikte. So lernt der Nachwuchs anhand seiner Umwelt, Probleme auch gewaltsam zu lösen. Für Menschen, die solches Verhalten mit ihrem Selbstkonzept vereinbart haben, dürfte es nur noch ein kleiner Schritt zu Medien sein, in denen sie ihr Verhalten widergespiegelt finden.
Übrigens war Gewalt schon früher in fast jedem Kinderzimmer Normalität. Oder muss man den „Struwwelpeter“ und „Max und Moritz“ etwa nicht als brutal bezeichnen? Diese medialen Gewaltdarstellungen dienen der Abschreckung (Inhibition). Und wenn Max und Moritz für ihre Scherze Gewalt anwenden, tun sie dies stellvertretend für ihre jungen Leser, deren Aggressionen auf diese Weise abgebaut, gleichsam gereinigt werden (Katharsis-Theorie) – glaubte Sigmund Freud. Doch sowohl Inhibitions- wie Katharsis-Annahme
konnten wissenschaftlich nicht bestätigt werden. Und zu kleinen Monstern haben die genannten Medien unsere Eltern und Großeltern bekanntlich auch nicht gemacht.
So lässt sich bilanzieren, dass Computerspiele bei weitem nicht in dem Maße zu Gewalttaten stimulieren, wie es ihnen in anderen Medien häufig angelastet wird. Verantwortungsvolle Begleitung beim Medienkonsum darf kein Privileg des Bildungsbürgertums mehr sein, wenn der Einfluss von Gewaltdarstellungen auf alle Kinder und Jugendliche minimiert werden soll. Und zur Beruhigung sei abschließend auf
eine interessante Statistik verwiesen: In den letzten Jahren hat die Verbreitung gewaltreicher Medien zwar zugenommen – die Jugendgewalt ging aber trotzdem zurück.