Was ist Jugendgewalt? Eine Begriffsdefinition
Als Jugendgewalt versteht man grob Gewaltdelikte, die von Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden begangen werden. Dazu zählt in erster Linie körperliche Gewalt in tätlichen Angriffen, Prügeleien oder Vergewaltigungen, allerdings auch verbale Angriffe, Erpressung, Sachbeschädigung oder psychische Gewalt in Form von Mobbing. Aktuelle Zahlen zum Thema sind erschreckend: Im Jahr 2014 waren in über 30 Prozent der polizeilich erfassten Gewaltdelikte Kinder und Jugendliche unter 21 Jahren verdächtig. Dabei handelte es sich in erster Linie um Delikte der gefährlichen bis zur schweren Körperverletzung sowie um Raub oder Erpressung.
Eine im vergangenen Jahr veröffentlichte Erhebung des Deutschen Jugendinstituts kennt weitere Fakten. So ist Jugendgewalt in den meisten Fällen ein episodisches Problem, legt also beim jugendlichen Täter nicht zwangsläufig den Grundstein für weitere Straftaten. Außerdem zielt Jugendgewalt in den meisten Fällen auf Menschen gleichen oder ähnlichen Alters ab. Die Opfer sind in erster Linie also ebenfalls Jugendliche. Zudem ist Jugendgewalt hauptsächlich ein männliches Phänomen: Rund 70 Prozent der Gewalttätigen sind Jungen.
Polizeiliche Statistiken belegen: Jugendgewalt geht zurück
Dabei werden die Täter nicht nur immer jünger sondern auch immer brutaler. So geht aus Erhebungen von Notaufnahmen hervor, dass an Wochenenden schwere Gesichts- und Oberkörperverletzungen bei Jugendlichen signifikant häufiger auftreten, als noch vor einigen Jahren. Die Polizei konstatiert in Berichten zudem eine „erhöhte Gewaltbereitschaft bei gesunkener Hemmschwelle“. Quantitativ ist die Gewaltkriminalität von Jugendlichen in Deutschland aber rückläufig. Zwar stieg die Zahl in den Jahren vor 2007 kontinuierlich an, seitdem verzeichnet die Polizeiliche Kriminalstatistik aber jährliche Rückgänge. Im Jahr 2013 war die Jugendgewalt in der Bundesrepublik auf einem Level, das dem Stand des Jahres 1995 ähnelt, Tendenz weiter fallend.
Diese Zahlen sind zwar weniger repräsentativ, wenn man sich ins Gedächtnis ruft, dass hier nur die Hellziffer der Delikte von Jugendgewalt erfasst werden kann, und viele Fälle aufgrund fehlender Anzeigen oder Aufklärung im Dunkeln bleiben. Allerdings festigen auch diverse Dunkelfeldstudien der Polizei die These, dass die Kriminalität im Jugendbereich rückläufig ist. Professor Christian Pfeiffer, ehemaliger Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts in Niedersachsen, erkennt darin die Auswirkungen der veränderten Erziehungskultur in Deutschland. Durch den sogenannten „Züchtigungsparagraphen“ ist Gewalt in der Kindererziehung seit dem Jahr 2000 unzulässig, das wirke sich auch auf den Umgang der Jugendlichen untereinander aus.
Ursachen für Jugendgewalt: Soziale Verhältnisse und mangelnde Bildung
Pfeiffer nennt damit eine der Hauptursachen für Jugendgewalt: Die Reflektion der im Elternhaus erlernten Umgangsformen. Eine Umfrage des Kriminologischen Forschungsinstituts unter repräsentativ ausgewählten Jugendlichen zeigt diesen Zusammenhang deutlich: So werden unter 21-jährige, die von ihren Eltern massiv geschlagen werden, im Schnitt fünfmal häufiger selbst zu Gewalttätern. Weitere Gründe für frühe Gewalt sind wahrscheinlich ein problematisches soziales Umfeld sowie mangelndes Bildungsniveau. Wo sich der betreffende Jugendliche Liebe und Anerkennung nicht im Elternhaus oder durch schulische und berufliche Erfolge sichern könne, müsse er sich mit Gewalt Respekt in der Gruppe verschaffen, so ein Erklärungsversuch.
Migrationshintergrund und Killerspiele haben mit Jugendgewalt kaum etwas zu tun
Entgegen gegenteiliger Mediendarstellungen ist die ethnische Herkunft zumeist keine Ursache, wie jüngste Untersuchungen des Bundesinnenministeriums zeigen. So seien zwar überproportional viele Jugendliche mit Migrationshintergrund in Gewaltdelikte verwickelt, dies treffe aber nur auf ausländische Jugendliche in einer sozialen Schieflage zu. Nehme man statt der ethnischen Herkunft wieder das soziale Umfeld als Indikator, so gleiche sich die Zahl der Gewalttäter mit Migrationshintergrund der Zahl der deutschen Täter in den meisten Fällen an.
Auch der Zusammenhang zwischen Jugendgewalt und den medial periodisch als Hauptursache genannten „Killerspielen“ ist verschwindend gering. Das haben Psychologen an der Stetson University in Florida herausgefunden: „Statistisch ist der Effekt von gewaltverherrlichenden Medien so gering, dass er gegenüber anderen Variablen kaum eine Rolle spielt.“