VON CLEMENS POKORNY | 02.11.2013 16:19

Der Tod ist ein Master aus Deutschland

Schon in der Schule erhalten in vielen Bundesländern Jugendoffiziere die Gelegenheit, Militär und Krieg als akzeptabel oder gar alternativlos darzustellen. An Hochschulen und Universitäten wird die auch so hergestellte Akzeptanz dazu genutzt, militärische Forschung zu betreiben – aus Steuergeldern oder im Rahmen von Drittmittelprojekten. Doch gegen diese Instrumentalisierung der Wissenschaft für unmoralische Zwecke und die Profitgier von Unternehmen, die am Tod, dem Meister aus Deutschland, verdienen, regt sich bundesweit Widerstand. Er kulminiert in der sogenannten Zivilklausel-Bewegung.


Deutsche Waffen, deutsches Geld morden mit in aller Welt: allein im Jahr 2007 wurden Rüstungsgüter im Wert von 3,7 Mrd. Euro aus der Bundesrepublik exportiert, derzeit ist sie der drittgrößte Waffenexporteur weltweit. Die Forschung dafür finanziert nicht selten der Steuerzahler – nämlich in Form von militärischen Studien an Universitäten. Gegen diesen Verstoß gegen das grundgesetzlich verbriefte Friedensgebot regt sich in den letzten Jahren vermehrt Widerstand, vor allem im Rahmen der „Zivilklausel“-Bewegung.

Studium bei der Bundeswehr

Die angebliche Normalität des Militärs wird schon jugendlichen Schülern suggeriert, wenn pädagogisch speziell geschulte Bundeswehrsoldaten v. a. den Sozialkunde-/Soziologie-/Politikunterricht besuchen. Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, das Saarland und Sachsen haben entsprechende Kooperationsvereinbarungen mit dem deutschen Heer geschlossen. Allzu selten verweigern Schulen oder einzelne Lehrer sich dieser unseligen Tradition, die den Prinzipien der UN-Kinderrechtskonvention widerspricht, oder stellen den Soldaten wenigstens engagierte Pazifisten gegenüber, zum Beispiel aus den Reihen der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK). So sollen junge Menschen schon an der Schule für einen tödlichen Job angeworben werden, den laut Umfragen 80,2% der aktiven Bundeswehrsoldaten nicht weiterempfehlen würden – kein Wunder, dass aggressive Werbung umso nötiger ist, seit einigen Jahren auch mit den „Bundeswehrtrucks“ in Fußgängerzonen.

An der Universität findet selten militaristische Propaganda, dafür aber noch immer militärische Forschung statt. In Kiel z.B. finanzieren diese Gelder maßgeblich das „Institut für Sicherheitspolitik“, das Strategieentwürfe für militärische Interventionen oder zur Aufstandsbekämpfung entwickelt. Die Uni Bremen gab sich zwar schon 1986 die weltweit erste „Zivilklausel“, mit der sie sich zu ausschließlich ziviler Forschung verpflichtete. Doch ausgerechnet dort, wo die Zivilklausel-Bewegung ihren Ausgang nahm, wird sie nun schon mehrere Jahre lang unterlaufen: Dort stiftete das von Alumni der Universität gegründete Raumfahrtunternehmen OHB großzügig eine Professur für Raumfahrttechnologie. Nachdem bekannt wurde, dass deren Forschungsergebnisse direkt in militärische Projekte von OHB wie der Entwicklung des hunderte Millionen Euro teuren Radarsatellitensystems SAR-Lupe im Auftrag der Bundeswehr fließen, regte sich massiver Widerstand vor allem von Seiten der Studenten gegen die Kooperation von Universität und Unternehmen. Firmenchef Marco Fuchs reagierte mit einem Erpressungsversuch: Entweder ändere die Hochschule ihre Zivilklausel oder die Gelder für die Stiftungsprofessur würden gestrichen.

Solche Kämpfe um die Errungenschaft „Zivilklausel“ hindern die Studenten anderer Universitäten freilich nicht daran, sich für die Festschreibung einer solchen Friedensgarantie in den Statuten ihrer Alma Mater einzusetzen – aktuell unter anderem in Frankfurt, Konstanz und Göttingen. In Augsburg sollen im zur Universität gehörenden „Innovationspark“, der Forschung, Entwicklung und Produktion miteinander verzahnen soll, Rüstungsfirmen wie EADS (Tochter u.a. der Daimler AG) oder Eurocopter angesiedelt werden. Stiftungsprofessuren und Forschungskooperationen würden dazu führen, dass sich die Universität direkt und indirekt an Rüstungsforschung beteiligen würde. Auch hier wehren sich Studenten, Parteien und NRO gegen die Vereinnahmung der Wissenschaft für den Krieg. Derzeit deutet sich als Kompromiss die Verabschiedung einer „Friedensklausel“ an, die allerdings unverbindlich wäre – und Argumentationen à la „unsere Forschung dient humanitären Interventionen, und diese dem Frieden“ zuließe. An der Uni Tübingen schließlich erforscht ein Neurowissenschaftler, wie das Gehirn Bildinformationen verarbeiten kann, um eine kollisionsfreie Bewegung im Raum zu ermöglichen. Partner dieses Projekts ist pikanterweise der Drohnen-Konzern Thales: „Dual Use“ wird diese Eigenschaft von Erkenntnissen oder Produkten genannt, die sowohl zivilen als auch militärischen Zwecken dienen können. An Universitäten mit Zivilklausel könnte diesem Phänomen beispielsweise mit der Einrichtung von Ethikkommissionen begegnet werden, die Einzelfallentscheidungen treffen könnten.

Doch etliche Universitäten mit Zivilklausel haben die Erforschung von Dual-Use-Technologien bislang verheimlicht. So ließ sich die Universität Bremen ein Satellitenforschungsprojekt von der amerikanischen Luftwaffe finanzieren, an der TU Ilmenau läuft ein von der US-Marine gesponsortes Vorhaben noch immer. An der LMU München dagegen, die wie alle bayerischen Hochschulen keine Zivilklausel hat, forscht der Chemiker Thomas Klapötke ganz offen an Wehrtechnik. Sein wohl zynischstes Projekt: Die Entwicklung einer „grünen Bombe“, die den Feind vernichtet, aber die Umwelt schont. Selbst eine Studentenvertreterin aus dem Fach Chemie hat kein Problem damit – bayerische Verhältnisse eben. In den letzten beiden Jahren hat das US-Verteidigungsministerium diese Forschung mit über 200.000 Dollar gefördert, etwa der Hälfte der Gelder, die es der LMU in diesem Zeitraum zukommen ließ. Die Wissenschaftsministerien der zehn betroffenen Bundesländer verweisen auf die Freiheit der Forschung; moralische Skrupel plagen sie offenbar nicht. In der Publikation „Geheimer Krieg. Wie von Deutschland aus der Kampf gegen den Terror geführt wird“ (erschienen am 15. November 2013) ordnen die Autoren auf der Grundlage gründlicher Recherchen eine ganze Reihe von deutschen Dual-Use- und vermeintlichen Grundlagenforschungsprojekten in eine aggressive Strategie der USA ein, die vorgeblich dem Kampf gegen den Terror dient, den der nicht immer gesetzestreue Weltpolizist seit Jahren zu führen beliebt.

Solange der schleichende Rückzug des Staates aus der Hochschulfinanzierung Drittmittelprojekte für die Universitäten attraktiv macht, droht militärische Forschung an deutschen Hochschulen – und bleibt die Notwendigkeit, ihr durch die wirksame Formulierung von Zivilklauseln einen Riegel vorzuschieben. Da auch die Besuche von Jugendoffizieren der Bundeswehr in Schulen dazu beitragen sollen, Auslandseinsätze zu rechtfertigen, die mittlerweile sogar von Bundeswehr-Angehörigen als verfassungswidrig eingestuft werden, muss Widerstand gegen die Akzeptanz von Rüstung und Militär schon an Schulen beginnen.