VON LISI WASMER | 10.12.2013 15:26

Babystrich Webcam – Terre des Hommes gegen Pädosexualität im Netz

Das Internet verbindet die Welt, es eröffnet uns neue Wege der Kommunikation, des Handels und sogar der Politik. Aber das Internet birgt auch Gefahren, zumal, wenn es in die falschen Hände gerät. Nie war es so einfach, anonym zu bleiben und gleichzeitig weltweit zu agieren. Trickbetrüger machen sich das zu Nutze, unlautere Geschäftsmänner – und auch Perverse: Der Kinderpornographie-Markt boomt, Videos verbreiten sich viral über das Internet. Und wem das nicht reicht, der bezahlt Kinder dafür, dass sie sich vor Webcams ausziehen und berühren. Es ist eine ganz neue Form des sexuellen Missbrauchs. Und der Verein Terre des Hommes hat einen ganz neuen Weg gefunden, den Tätern auf die Spur zu kommen.

Sichtwechsel - Straßenkind für einen Tag

Gerade erst feierte das Internet seinen 20. Geburtstag. Zwei Jahrzehnte, in denen sich die Entwicklungen überschlugen und plötzlich ist die Welt vernetzt. Ob Kontoführung, Shopping oder Sozialleben – das 21. Jahrhundert spielt sich online ab. Was man aber nicht vergessen darf: Neben all seinen Vorteilen birgt das Internet auch so manche Gefahr. Diese liegt nicht zuletzt in der Anonymität, derer sich online jeder bedienen kann. Ihr Schutz ist verführerisch: Wer nicht bekannt ist, kann für etwaiges Fehlverhalten auch nicht belangt werden. Dabei handelt es sich hierbei oft nicht um Kavaliersdelikte. Und so virtuell die Straftaten auch sein mögen – das Leiden der Opfer ist nicht weniger real.

Eines der großen Gebiete der sogenannten Cyberkriminalität ist das Verbreiten von Kinderpornographie. Zur selben Kategorie gehörend und nicht weniger abscheulich ist der sexuelle Missbrauch von Kindern über die Webcam. Die Fälle sind zahllos, die Anzahl überführter Täter lässt sich aber fast an einer Hand abzählen. Jetzt hat die Kinderhilfsorganisation Terre des Hommes einen neuen Ansatz, den vielen Webcam-Sextouristen auf die Spur zu kommen.

Das Unrecht in Zahlen

Terre des Hommes ist ein internationales, entwicklungspolitisches Kinderhilfswerk mit diversen Länderdelegationen. Das Phänomen des sogenannten Webcam Child Sex Tourism, kurz WCST, ist hier schon lange bekannt. Jetzt hat die Organisation einen Bericht verfasst, in dem zum ersten Mal die erschreckenden Statistiken zu WCST veröffentlicht werden, ebenso wie ein innovativer Vorstoß gegen diese Form der sexuellen Ausbeutung Minderjähriger.

„WCST ist ein neues Phänomen, das sich aubreitet wie eine Epidemie“, heißt es im zum Bericht gehörenden Kampagnenvideo: „Männer aus reichen Ländern bezahlen Kinder aus armen Ländern für Webcamsex.“ Und das mehrere zehntausend Mal am Tag. Die UN und das FBI schätzen, dass zu jedem Zeitpunkt rund 750.000 Pädophile online sind. Strafrechtlich belangt wurden bislang sechs Männer – und das, obwohl WCST in den meisten Ländern strafbar ist.

Ein kleines Mädchen jagt Pädosexualstraftäter

Aber WCST-Täter aufzuspüren ist mühsam. Es ist leicht, sich im Internet zu verstecken, solche Straftaten sind sehr schwer zu beweisen – und die missbrauchten Kinder gehen fast nie zur Polizei. Deshalb macht es sich die holländische Delegation von Terre des Hommes zur Aufgabe, die Strafverfolgung zu verbessern: Sie modellieren ein zehnjähriges Mädchen mit philippinischer Herkunft. Bewegungen, Sprache, Mimik – die kleine Sweetie ist die perfekte Imitation eines echten Menschen. Von nun an dient Sweetie Mitarbeitern von Terre des Hommes als Schutzmantel, unter dem sie online gehen. Sie geben sich als Sweetie aus, chatten mit Männern, beantworten Anfragen für Webcamsex.

Sobald sie online gehen, prasseln die Anfragen auf sie ein. Hunderte wollen chatten, wollen das Kind sehen, wie es sich aussieht und mit sich spielt. Bezahlt wird mit Prepaid-Kreditkarten, die nicht zurückverfolgt werden können. Was die Täter nicht wissen: Im Laufe des Chats sammeln die Mitarbeiter von Terre des Hommes private Daten von ihnen. Als Sweetie fragen sie die Männer nach ihrem Wohnort, sie finden Adressen und Telefonnummern; Bilder liefert die Webcam. Innerhalb von zwei Monaten konnte so ein Dossier mit 1.000 WCST-Tätern erstellt werden. Am 4. November wurde es Interpol übergeben, außerdem wurde ein ausführlicher Bericht veröffentlicht.

Online-Unterschrift gegen Online-Missbrauch

Jetzt will Terre des Hommes die Regierungen in die Verantwortung ziehen. Es sei höchste Zeit für proaktive Investigationen. Die Strafverfolgung im Internet müsse vorangetrieben werden. Denn nur, wenn Pädosexuelle Konsequenzen zu befürchten haben, kann die wachsende Ausbreitung von WCST eingedämmt werden. Terre des Hommes hat deshalb eine Online-Petition gestartet. Der Zählbalken auf der Website zählt bereits über 300.000 Unterschriften. Darüber blickt Sweetie in die Kamera. Noch fehlen 200.000 Beteiligungen. Sweetie ist nicht real. Zehntausende andere Jungen und Mädchen aber schon.