VON NORA GRAF | 27.09.2016 16:31

Die Gleichberechtigung im Wandel der Zeit

Frauen kochen, kriegen Kinder und der Ehemann bringt das Geld nach Hause. Die Frau ist Mutter, für die Erziehung und den Haushalt verantwortlich, während der Mann arbeiten geht. Solchen Klischees hängt heutzutage nur mehr eine Minderheit an, denn es hat sich sehr viel getan in Sachen Gleichstellung. „Frauen und Männer sind gleichberechtigt“, heißt es in Artikel 3 des Grundgesetzes. Was heute selbstverständlich ist, war jedoch nicht immer so und die Rollen der Geschlechter waren sehr klar definiert. Wie kam es überhaupt dazu, dass Frauen für mehr Rechte kämpften und die traditionellen Zuschreibungen hinterfragten? Und wo stehen Frauen heute?


Das Aufkeimen erster Frauenrechtsbemühungen

Anfang des 19. Jahrhunderts war die Rolle der Frau sehr klar definiert: Kochen, Putzen, Haushalt führen. Es herrschte allgemein die Überzeugung, Frauen seien weniger wert als Männer und hätten weniger Rechte. Frauen waren dazu da, Kinder zu bekommen und sich um die Familie zu kümmern, Männer galten als fähiger und intelligenter. Die Bildungsmöglichkeiten und der Berufsweg waren für Frauen daher sehr begrenzt, sie waren keine autonomen und mündigen Bürgerinnen, denn sie benötigten immer eine Geschlechtsvormundschaft, ausgeübt durch den Vater, den Bruder oder den Ehemann. Ab etwa 1820 entstanden „höhere Töchterschulen“, die aber nur darauf abzielten besser gestellte Frauen auf ihre Rolle als Mütter und Haushälterinnen vorzubereiten. Kunst und Musikunterricht sollte dem „schönen Geschlecht“ die nötige Anmut verleihen. Mädchen aus schlechter gestellten Gesellschaftsschichten blieb nur der Besuch der Volksschule, die ihnen lediglich Grundkenntnisse in Lesen und Schreiben vermittelte. Oft mussten sie auch arbeiten und somit galt das Konzept der Hausfrau und Mutter nur für die bürgerliche Mittelschicht.

Mitte des 19. Jahrhunderts traten einige Frauen in der Öffentlichkeit für mehr Rechte ein. Hier beginnt die sogenannte erste Welle der Frauenbewegung. Die Revolution 1848/49 nutzten auch die Frauen und gingen auf die Straße. Es wurden demokratische Frauenvereine gegründet, die nach dem Scheitern der Revolution jedoch aufgelöst wurden. Der Grundstein für mehr Frauenrechte war damit aber gelegt.

Die Frauenbewegung organisiert sich

Dank der Lockerung des autoritären Systems und des Wirtschaftsaufschwunges, kam es zu einer offeneren Situation in der Gesellschaft. Im Jahr 1865 fand eine großen Frauenkonferenz statt, bei der der Allgemeine deutsche Frauenverein (ADF) gegründet wurde. Dieser setzte sich besonders für eigenständige Erwerbsmöglichkeiten und damit einhergehend für eine verbesserte Mädchenbildung ein. Nach zähem Ringen ließ man Frauen ab 1899/1900 (unterschiedlich in den deutschen Ländern) an den Universitäten zu.

Das Jahr 1908 markiert einen wichtigen Punkt in der deutschen Frauenbewegung: Zum einen gab es eine Preußische Mädchenschulreform. Zum anderen wurde ein reichseinheitliches Vereinsgesetz verabschiedet, das die politische Sonderstellung von Frauen aufhob. Obwohl sie noch kein Wahlrecht besaßen, durften Frauen nun Mitglieder politischer Parteien werden. Mit der Weimarer Republik 1918 bekamen sie letztlich das Stimmrecht.

Frauen während und nach der NS-Zeit

Während des zweiten Weltkrieges gab es weitreichende Einschränkungen der Frauenrechte: Sie verloren ihr Wahlrecht, der Besuch der Universität war stark eingeschränkt und sie durften bestimmte Berufe wie Anwältin oder Richterin nicht ausführen. Sie waren vor allem Gebärmaschinen, auch wenn sie aufgrund des eintretenden Männermangels arbeiten mussten.

Besonders nach dem Krieg kam es zu einem frauenpolitischen Aufbruch. Es gründeten sich viele sogenannte Frauenausschüsse, die die Gleichberechtigungsforderungen wieder auf das politische Tableau brachten. Sie verstanden Frauenrechte als Menschenrechte. Ab 1947 begannen die Ausschüsse, sich zusammen zu schließen und 1949 kam es zu einem ersten bundesweiten Zusammenschluss in Form des Deutschen Frauenrings (DFR). Ein Meilenstein in der Frauenbewegung war die Verankerung der Gleichberechtigung von Mann und Frau (Art. 3 Abs.2) im Grundgesetz.

Endlich unabhängig – oder doch nicht?

Die zweite und dritte Welle

Zwischen den 50ern und den späten 60ern trat die Gleichberechtigungsbewegung auf der Stelle. Die Frauen – zumindest in Westdeutschland – blieben wieder eher zu Hause. Erst mit den sogenannten 68ern begann der Protest erneut und damit die zweite Welle und Startsignal eines neuen Feminismus. Es herrschten immer noch alte patriarchalische Strukturen: Männer konnten als „Haushaltsvorstand“ verbindliche Entscheidungen treffen, Frauen mussten ihre Ehemänner um Erlaubnis bitten, wenn sie ein Bankkonto eröffnen oder eine Arbeit aufnehmen wollten. Vergewaltigung in der Ehe hieß noch „eheliche Pflicht“. Sowohl die zuvor 1961 eingeführte Anti-Baby-Pille wie auch der Widerstand gegen das Verbot der Abtreibung im §218, waren wichtige Schritte in Richtung Selbstbestimmung der Frau. 1977 kam es dann schließlich zu wichtigen Reformen im Ehe- und Familienrecht.

Die dritte Welle des Feminismus entstand in den USA Anfang der 1990er Jahre vorwiegend als Reaktion auf die Ansicht, dass Feminismus obsolet sei, da alle Ziele erreicht seien. Die Frage ist demnach nicht mehr, ob Frauen rechtlich gleichberechtigt sind, sondern ob faktisch alle gleich behandelt werden in der Gesellschaft. Und da gibt es auch heutzutage noch Bereiche, in denen es Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt. Stichwort Gendergap: Die ungleiche Bezahlung in bestimmten Bereichen oder etwa die Überrepräsentiertheit der Männer in Führungspositionen. Der Feminismus von heute findet vor allem im Internet und zielorientiert in verschiedenen Projekten statt, er ist vielschichtig und nicht gegen Männer gerichtet – im Gegenteil, er braucht mehr solidarische Männer, mehr Feministen.

Manche behaupten, wir hätten mittlerweile ein vierte Welle, die von jungen Frauen um die 20 getragen wird und die in völliger Gleichberechtigung aufgewachsen sind. Sie fordern, dass Frauen ihren Lebensentwurf frei wählen dürfen, auch wenn er von den tradierten feministischen Entwürfen abweicht.