VON JOACHIM SCHEUERER | 08.01.2014 17:03
„Werkbegriff Nachhaltigkeit“ - ein inspirierender Lagebericht zum Paradigma der Stunde
Vor gut zwei Wochen entging der UN-Klimagipfel gerade noch einem kompletten Scheitern, doch Grund zum Optimismus gab er auch nicht, obgleich es mittlerweile eigentlich alle begriffen haben müssten, dass der Klimawandel keine bloße Ansichtssache mehr ist. Lediglich im Detail gibt es unterschiedliche Szenarien und Entwicklungsmöglichkeiten, die, wie der zum Teil umstrittene aktuelle UNO-Klimabericht zeigt, nicht mit hundertprozentiger Genauigkeit vorherzusagen sind. Zu zahlreich sind die verschiedenen, teilweise nicht erschöpfend messbaren Faktoren, die beim Klimawandel eine Rolle spielen (können). Dementsprechend lässt auch Jorgen Randers in seinem neuen Folgebericht zum epochemachenden Werk die „Grenzen des Wachstums“ des „Club of Rome“ differente Ergebnisse und Forschermeinungen nebeneinander stehen, um das mögliche klimatische und soziale Problemspektrum der kommenden 40 Jahre auszuloten.
Einen ähnlich bescheidenen Ansatz verfolgt der vorliegende Band „Werkbegriff Nachhaltigkeit“ von Kai Mitschele und Sabine Scharff, welcher versucht, sich dem Zeitgeist bestimmenden Begriff der „Nachhaltigkeit“ aus verschiedenen Richtungen und Disziplinen zu nähern, um seine vermeintlich unübersichtlichen und oftmals verwässerten Erscheinungs- und Verwendungsweisen besser einordnen zu können. Dabei eröffnen Sie ein äußerst produktives Begriffs-Panorama, welches der Prozesshaftigkeit, Mehrdimensionalität und Pluralität an Deutungen des Nachhaltigkeitskonzepts Rechnung trägt.
Niko Peach und seine Postwachstumsökonomie
Peach gilt als Deutschlands radikalster Wachstumskritiker. Wirtschaftswachstum aller Art, selbst in Bereichen der "Nachhaltigkeit", führen früher oder später nur zum wirtschaftlichen Kollaps, so seine These
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Den Ausgangspunkt dieser Anthologie bildet der im 20. Jahrhundert, im Zuge des durch die Raumfahrt ermöglichten Perspektivenwechsels, gereiften Mythos von der Erde als schöner, einzigartiger und fragiler „blue marble“. Die Wurzeln dieser Reifung sind jedoch weitaus älter als oftmals angenommen. So verfolgt der Germanist Ulrich Grober in seinem Beitrag die begrifflichen Ursprünge der Nachhaltigkeit bis zurück zu den vedischen Gesängen, den Texten Franz von Assisis und dem Armutsideal der Franziskaner, sowie zur christlichen Schöpfungslehre und zum Glauben an die göttliche Vorsehung. Als weitere Wegbereiter unseres modernen Nachhaltigkeitsdiskurses werden zudem René Descartes, Spinoza und insbesondere der Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz beleuchtet, dessen Buch „Sylvicultura oeconomica“ aus dem Jahre 1713 erstmals den Begriff der Nachhaltigkeit samt seiner heute immer noch gültigen
dreigliedrigen Struktur aus Ökonomie, Ökologie und sozialer Ethik schriftlich fixiert hat. Über die Arbeiten Carl Nilsson Linnés im 18. Jahrhundert und Ernst Haeckels Einführung des Terminus der „Oecologie“ im 19. Jahrhundert gelangt das Nachhaltigkeitsparadigma daraufhin dann allmählich ins 20. Jahrhundert, wo die Ikonisierung der „blauen Murmel“ letztlich in die Brundtland-Formel der UNO von 1987 mündet.
Äußerst erhellend ist auch der Beitrag des Philosophen und Politikwissenschaftlers Wolf Dieter Enkelmann, in dem er mögliche Verdrängungsimpulse hinter dem keynesianischen Streben nach Profitmaximierung diskutiert, welches die nackte Wahrheit der Unausweichlichkeit des Todes mithilfe unendlicher Reproduktion zu verdecken versucht. Nach einer Skizze der kühnen, transhumanen Visionen der Technikoptimisten unserer Zeit nimmt Enkelmann dann den Nachhaltigkeits-Begriff Carlowitzer Prägung kritisch unter die Lupe, um aufzuzeigen inwiefern jener (implizit) immer noch an alte ökonomische Denkkategorien wie Nutzen, Profit, Reproduktion, Besitz und Habe geknüpft ist. Für ihn besteht die Möglichkeit, dass unser gedanklicher Horizont dessen, was Nachhaltigkeit ist und sein soll, eigentlich noch in Kinderschuhen steckt.
Die enge Verknüpfung von Nachhaltigkeit und Ökonomie ist auch Gegenstand des Beitrags der Medienkünstlerin und Kulturphilosophin Yana Milev, in dem sie versucht zu zeigen, inwiefern sich die kapitalistische Ideologie den Nachhaltigkeitstrend zunutze macht, um das Überleben des Wachstumsparadigmas im neuen Gewand zu sichern. Dagegen gibt Milev ein neues produktiveres und chancenorientiertes Verständnis von Krise zu bedenken, welches ihrer Meinung nach helfen könnte künstlich erzeugte Wohlstandsgefälle zwischen Arm und Reich abzubauen. Dabei stellt sie verschiedene Deutungsmöglichkeiten von Krise vor, sowie die Gründe und Nutznießer einer negativen Konnotation von Krise. Ebenso anregend und inspirierend sind auch die anderen Beiträge zur Bedeutung und Integration der Nachhaltigkeit im Bereich des Designs, der Architektur oder bei der Energiewende. Ulrich Grober fordert in seinem Text Mut und Weisheit im Umgang mit der Natur. Dieses Buch macht Mut und weiser und das ganz ohne plumpes Moralisieren.
Mitschele, Kai u. Scharff, Sabine: „Werkbegriff Nachhaltigkeit“
transcript Verlag, Bielefeld, 2013. 217 S.
ISBN 978-3-8376-2422-9.
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Alle für einen – Friends of the Earth
Das größte Problem, das Umweltschutzorganisationen in der Regel haben, hat mit ihrem Image zu tun. Der stereotypische Umweltaktivist trägt Cargo-Hosen, Gesundheitssandalen und den Geruch von Waschnüssen, weil Flüssigwaschmittel nicht zu seiner Ideologie passt. Am liebsten ist er draußen, zum Beispiel mit einem Transparent, um auf den Klimawandel aufmerksam zu machen oder mit einer Petition, die die Passanten unterschreiben sollen. Man könnte ihn vielleicht als liebenswerten Träumer bezeichnen, der im Grunde gute Ideen hat, allein aber sicher wenig ausrichten kann gegen die Macht der Industrielobby und die Folgen schlechter Umweltpolitik. Anders sieht es aus, wenn man wie die Friends of the Earth International weltweit über zwei Millionen Mitglieder hat.
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„Garp und wie er die Welt sah“ von John Irving
Ein uneheliches Kind einer Krankenschwester mit einem – zugegebener Maßen nur in geringem Maße beteiligten – schwer hirnverletzten Soldaten: Das ist T. S. Garp. So legt Irving den Grundstein für die Geschichte eines Schriftstellers, vom Anfang bis zum Ende, von der Kindheit bis zum Tod. Es ist eine Geschichte voller Absurditäten, voller Tragik und doch herzerwärmend menschlich. Eine Geschichte, die in keine Jahreszeit besser passen würde als in den Herbst, wo die Blätter fallen, die Tage kürzer werden und man nur aus dem Fenster sehen muss, um sich seiner eigenen Vergänglichkeit bewusst zu werden. Denn „in the world according to Garp, we are all terminal cases“.
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Die Kreuzfahrtindustrie boomt – auf Kosten von Mensch und Umwelt?
Kaum ein anderer Tourismuszweig verzeichnet jährlich ein so gewaltiges Wachstum wie die Kreuzfahrtindustrie. Immer mehr Passagiere leisten sich die Luxusdampfer, immer mehr Häfen wollen angelaufen werden. Damit wachsen auch die Schiffe. Erst im September hat das drittgrößte Kreuzfahrtschiff der Welt seine Reise in Bremerhaven begonnen. Die neuen Riesendampfer sind mit allem Komfort und Luxus ausgestattet. Doch wie sieht es mit der Nachhaltigkeit der Kreuzfahrer aus? UNI.DE begibt sich auf große Fahrt.
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Inclusive Business
Inclusive Business, so heißt das neues Wirtschaftskonzept, das Geschäftsbeziehungen zwischen Kleinbauern in Entwicklungsländern und mächtigen Konzernen fördern und nachhaltig verbessern will. Sowohl die Kleinbauern als auch die Unternehmen sollen von den Projekten profitieren. Doch wird sich Inclusive Business auf Dauer als nachhaltig erweisen? Welche Kritikpunkte gibt es?
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Eko Atlantic City
Eine Stadt in Nigeria, die 400.000 Menschen neuen Lebensraum bieten wird. Nachhaltig und ökologisch verantwortungsbewusst soll Eko Atlantic City ein neues Modell für schöneres Wohnen darstellen. Effiziente Transportsysteme, die den Verkehr frei fließen lassen und nerviges Verkehrschaos verhindern, ein wunderbarer Ausblick über den Atlantischen Ozean und Häuser, die aus nachhaltigen Materialien gebaut werden - was sich so verheißungsvoll anhört, hat auch einige Haken.
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Tempo 30 als Lebensretter?
Anna ist heute 13 Jahre alt, sie ist ein hübsches Mädchen. Lange schwarze Haare, schlank und ausgesprochen intelligent. Sie liest gern, trifft sich gerne mit Freundinnen und findet Pferde toll. Eigentlich ist Anna genau wie ihre Freundinnen. Doch eines unterscheidet sie. Anna sitzt im Rollstuhl und das seit ihrem fünften Lebensjahr. Damals war sie mit ihrer Mutter in der Stadt unterwegs. Ein Autofahrer übersah das Mädchen und erwischte sie frontal mit Tempo 60. Die Ärzte konnten Anna im Krankenhaus nicht mehr helfen, ein späteres Gutachten ergab: Wäre der Autofahrer nur mit Tempo 40 gefahren, hätte er Anna nicht so schwer verletzt und sie könnte heute noch laufen. Würde ein generelles Tempolimit von nur 30 Stundenkilometern in Städten also Leben retten?
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Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis
Im Dezember 2012 wurde in Düsseldorf wieder der Deutsche Nachhaltigkeitspreis verliehen. Mit der jährlich vergebenen Auszeichnung werden Unternehmen, Produkte und Initiativen geehrt, die sich in besonderem Maße für nachhaltige Wirtschaft und Umweltschutz bemühen.
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Ökolimousinen
Vegetarisches Leder, Holzamaturen aus verbrannten Bäumen, stark reduzierter CO2-Ausstoß – Auch die großen Luxuslimousinen haben das Thema Nachhaltigkeit für sich entdeckt.
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Slow Food
Es gibt viele Möglichkeiten, im Leben zu entschleunigen. Slow Food ist eine davon. Die Bewegung hat es sich zum Ziel gemacht, die Kultur des Essens und Trinkens zu pflegen und lebendig zu halten. Sie besteht weltweit aus bewussten Genießern und Konsumenten, die sich nicht mehr der Nahrungsmittelindustrie unterwerfen wollen. Die Non-Profit-Organisation, die sich durch Spenden und Mitgliedsbeiträge finanziert, möchte eine neue Bewegung des Essens schaffen.
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Freecycle
Der Keller ist überfüllt, die Schränke zu Hause platzen aus allen Nähten. Was tun? Wegwerfen oder Flohmarkt wäre eine Alternative. Freecycle hat die Lösung: Verschenken satt wegwerfen. Freecycle ist ein weltweites Netzwerk, das in regionalen Gruppen den Austausch unliebsamer Dinge organisiert. Die ehrenamtlich betriebene Organisation will unnützen Gegenständen wieder einen Sinn geben.
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